Wie ein Hollywood-Star zum perfekten Polizisten wird
Künstliche Intelligenz. Welche Systeme die Polizei schon heute nutzt
Wie sieht er für Sie aus? Der typische, österreichische Polizist? Sehen Sie die blaue Uniform vor sich? Das Kapperl? Zur Begrüßung ein lautes „Grüß Gott“.
Und jetzt stellen Sie sich vor: Dieser österreichische Polizist ist Hollywoodstar Ben Affleck. Denn bittet man Künstliche Intelligenz (KI), ein Bild eines „typischen“Polizisten zu generieren, erhält man in den meisten Fällen eines von – Ben Affleck.
Doch wie realistisch ist es, dass KI künftig in der Polizeiarbeit zum Einsatz kommt? Wo liegen die Gefahren, wo die Chancen? Und warum spielen Vorurteile eine Rolle? Der KURIER bat internationale Experten um ihre Einschätzung.
KI steht im polizeilichen Bereich bereits jetzt als eine Art Co-Pilot im Einsatz. Wie etwa bei der automatischen Übersetzung von Texten oder der Klassifizierung von Bildern. „Stellen Sie sich vor, Sie haben einen vermeintlichen Drogenboss. Mithilfe von KI kann man sehr schnell das Handy des Verdächtigen auf Bilder durchsuchen, die etwa Kokain zeigen“, erklärt Gregory Mounier, Leiter des Innovation-Labs der europäischen Polizeibehörde Europol. Eine Arbeit, die bisher Ermittler für Tage oder gar Monate blockierte.
KI entmystifizieren
Erinnert alles ein wenig an James Bond? Laut dem Franzosen sei genau das Gegenteil der Fall. Ihm gehe es darum, das Thema Künstliche Intelligenz zu entmystifizieren. „Wir betreiben keine vorhersagende Polizeiarbeit, die errechnet, wer, wann zum Täter werden könnte, oder wo sich Straftaten ereignen“, erklärt Mounier. Die KI werde aktuell von der Polizei vor allem zu einem Zweck genützt: „Um Dinge schneller zu erledigen, als in der Vergangenheit.“
In dem Innovation-Lab in Den Haag, in dem 22 Experten tätig sind, gehe es somit vor allem um eines: „Herauszufinden, was die Strafverfolgungsbehörden unserer Mitgliedstaaten benötigen, und wie wir Synergien nützen können.“Laut der Einschätzung von Mounier würde sich der Großteil der Europol-Partner danach sehnen, KI zu nützen, um noch effizienter zu arbeiten.
Doch wie kann gerade die Polizei „richtig“und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben KI einsetzen? Gibt es hier bereits Rahmenbedingungen? Mouniers Antwort kommt schnell – und überrascht. „Wir müssen ehrlich sein. Alles in Bezug auf KI passiert so schnell, dass wir die Antworten noch nicht haben. Aber das ist kein Grund, nur herumzusitzen. Man muss sich mit den richtigen Stakeholdern vernetzen, um diese zu finden.“Einer davon: die Wissenschaft.
Diskriminierung
Antworten, die auch einen bisher kaum diskutierten Aspekt beinhalten müssten: Wie geht Künstliche Intelligenz mit Vorurteilen um? Siehe das Beispiel von Ben Affleck als perfekten Polizisten. Ein weißer Mann. „Es gibt eine algorithmische Diskriminierung. Denken Sie an Gesichtserkennung. Bei dieser werden etwa dunkelhäutige Menschen als gefährlicher eingestuft als andere“, sagt Lutgarde Vanderwaeren, die bei der belgischen Polizei für das Thema Diversität und Inklusion zuständig ist. Bevor KI also in der polizeilichen Arbeit zum Einsatz kommen kann, seien „moralische und ethnische Standards dringend erforderlich“, betont auch die Direktion von Europol, Catherine de Bolle.
Entscheidend sei laut allen Experten, dass der Einsatz von KI durch die Polizei transparent zu erfolgen habe. „Die Bevölkerung muss weiter der Polizei vertrauen. Wir müssen lernen, unsere Arbeit dafür zu öffnen“, sagt Wenche Medin, Digitalbeauftragte der schwedischen Polizei. Sie unterstreicht: „Niemals darf die KI allein Entscheidungen treffen. Immer, wirklich immer muss es den Faktor Mensch geben, der in den Prozess eingebunden ist.“
Polizeiliches ChatGPT
Einer dieser Prozesse könnte dank ChatGPT künftig bei polizeilichen Ermittlungen etwa so aussehen: „Verschiedene Strafverfolgungsbehörden, liefern unterschiedliche Informationen zu einem Fall. Dann füttert man ein polizeiliches ChatGPT-System mit all diesen Informationen, und am Ende stellt man seinem polizeilichen Co-Piloten die richtigen Fragen und erhält Antworten“, sagt Innvoation-LabChef Mounier. Noch sei dies aber Zukunftsmusik.
Wie schnell die aber zur Realität werden kann, zeigt ein prämiertes Projekt der niederländischen Polizei: 250 Polizisten wurden mit Virtual-Reality-Brillen ausgestattet. Damit können verschiedene Szenarien durchgespielt werden. Ein Beispiel: Eine Gruppe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund verhält sich aggressiv, wie geht der Polizist vor? Und: Verhält er sich auch so, wenn es sich bei den Störenfrieden um Einheimische handelt?
Was der von KI generierte Vorzeigepolizist Ben Affleck zu all dem sagt, müsste man an dieser Stelle wohl ChatGPT fragen.