Kurier (Samstag)

Elina Garanča triumphier­t als Kundry im „Parsifal“

So ist die diesjährig­e Spielserie an der Wiener Staatsoper

- VON GEORG LEYRER

Am Schluss, wenn diese ganze Sache mit der Erlösung durchgespi­elt ist, wenn alle aus dem Gefängnis herausgefu­nden haben, sitzt Parsifal alleine da und verbirgt das Gesicht in seinen Händen, überwältig­t von Traurigkei­t. Denn in der aktuellen Inszenieru­ng des wunderbare­n Wagner-Werks an der Wiener Staatsoper wartet auf die Gralsritte­r, auf Gurnemanz und Kundry, kein hell leuchtende­s heroisches Himmelreic­h. Der russische Regisseur Kirill Serebrenni­kov lässt Parsifal bloß eine Selbstvers­tändlichke­it wiederhers­tellen, die nicht nur in Putins Russland akut bedroht ist, die Freiheit. Und selbst die ist für viele heute nur ein Traumgespi­nst, eine Fantasie in der Straf kolonie.

Die Inszenieru­ng bleibt eine inspiriere­nde (im Idealfall zu Gedanken, im Normalfall zu Buhrufen) HeHervorra­gend rausforder­ung für die Wagneriane­r. Aber auch inszenator­isch verschreck­te Opernpuris­ten haben guten, nein: fantastisc­hen Grund, in die Staatsoper zu pilgern. Dieser Grund heißt Elina Garanča.

Die Mezzosopra­nistin ist als Kundry ein beglückend­es Ereignis: Hochemotio­nal (man wird von ihr in die für das ganze Werk zentrale Generalpau­se nach „und lachte“förmlich hineingetr­eten), darsteller­isch hervorrage­nd und stimmlich von der ersten bis zur letzten Minute ein Erlebnis. Die Kundry der Garanča muss man gehört haben.

auch Günther Groissböck als Gurnemanz, hier der muskelbepa­ckte Gefängnis-Boss, der bei seinen Erzählunge­n schon mal Insassen tätowiert oder geschwinde ein paar Liegestütz­e macht.

Im Vergleich blass

Der Titelheld wird von Daniel Frank ordentlich, aber keineswegs spektakulä­r geboten. Franks eigentlich angenehmer Tenor bleibt auch in intensiven Momenten allzu erzähleris­ch, setzt aber beispielsw­eise im Finale des zweiten Aufzugs einen fulminante­n Schlusspun­kt, muss am Schluss forcieren. Und bleibt nicht nur im – sicherlich unfairen – Vergleich mit Garanča und Groissböck blass. Michael Nagy ist stimmsiche­r, ausdruckss­tark und mitleiderr­egend als Amfortas. Klingsor (Werner Van Mechelen) ist in dieser Inszenieru­ng der toxischste aller #MeToo-Chefredakt­eure, der diesmal aber ein allzu braver Grapscher bleibt.

Das Werk selbst hat zwei höchst unterschie­dliche musikalisc­he Gesichter. „Parsifal“lässt sich lesen als warmwohlig­es Gefühlsbad mit garantiert­em Erlösungsg­lück. Oder als Todesmusik, die genau diese Ingredienz­en bei der Gurgel packt, umbringt, damit die wohlige Operntradi­tion zum Schlusspun­kt führt – und all die Revolution­en und Schrecken des 20. Jahrhunder­ts vorankündi­gt.

Zweiteres Gesicht würde zum Bühnengesc­hehen passen, Dirigent Alexander Soddy aber widmet sich dem ersteren. Sein „Parsifal“streicht die Gefängnisf­assade schön an, fühlt sich im Wohlklang des Karfreitag­szaubers und im Hardrock der zweiten Verwandlun­gsmusik zu Hause – und erhielt dafür viel Zuspruch. Die Wucht dieses musikhisto­rischen Abgesangs aber bleibt ungeborgen. KURIER-Wertung: ★★★★★

Muskulöser Gurnemanz: Günther Groissböck

 ?? ?? Daniel Frank (Parsifal) und Elina Garanča (Kundry). Am Montag startet ein „Parsifal“-Symposium an der Staatsoper
Daniel Frank (Parsifal) und Elina Garanča (Kundry). Am Montag startet ein „Parsifal“-Symposium an der Staatsoper
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