Elina Garanča triumphiert als Kundry im „Parsifal“
So ist die diesjährige Spielserie an der Wiener Staatsoper
Am Schluss, wenn diese ganze Sache mit der Erlösung durchgespielt ist, wenn alle aus dem Gefängnis herausgefunden haben, sitzt Parsifal alleine da und verbirgt das Gesicht in seinen Händen, überwältigt von Traurigkeit. Denn in der aktuellen Inszenierung des wunderbaren Wagner-Werks an der Wiener Staatsoper wartet auf die Gralsritter, auf Gurnemanz und Kundry, kein hell leuchtendes heroisches Himmelreich. Der russische Regisseur Kirill Serebrennikov lässt Parsifal bloß eine Selbstverständlichkeit wiederherstellen, die nicht nur in Putins Russland akut bedroht ist, die Freiheit. Und selbst die ist für viele heute nur ein Traumgespinst, eine Fantasie in der Straf kolonie.
Die Inszenierung bleibt eine inspirierende (im Idealfall zu Gedanken, im Normalfall zu Buhrufen) HeHervorragend rausforderung für die Wagnerianer. Aber auch inszenatorisch verschreckte Opernpuristen haben guten, nein: fantastischen Grund, in die Staatsoper zu pilgern. Dieser Grund heißt Elina Garanča.
Die Mezzosopranistin ist als Kundry ein beglückendes Ereignis: Hochemotional (man wird von ihr in die für das ganze Werk zentrale Generalpause nach „und lachte“förmlich hineingetreten), darstellerisch hervorragend und stimmlich von der ersten bis zur letzten Minute ein Erlebnis. Die Kundry der Garanča muss man gehört haben.
auch Günther Groissböck als Gurnemanz, hier der muskelbepackte Gefängnis-Boss, der bei seinen Erzählungen schon mal Insassen tätowiert oder geschwinde ein paar Liegestütze macht.
Im Vergleich blass
Der Titelheld wird von Daniel Frank ordentlich, aber keineswegs spektakulär geboten. Franks eigentlich angenehmer Tenor bleibt auch in intensiven Momenten allzu erzählerisch, setzt aber beispielsweise im Finale des zweiten Aufzugs einen fulminanten Schlusspunkt, muss am Schluss forcieren. Und bleibt nicht nur im – sicherlich unfairen – Vergleich mit Garanča und Groissböck blass. Michael Nagy ist stimmsicher, ausdrucksstark und mitleiderregend als Amfortas. Klingsor (Werner Van Mechelen) ist in dieser Inszenierung der toxischste aller #MeToo-Chefredakteure, der diesmal aber ein allzu braver Grapscher bleibt.
Das Werk selbst hat zwei höchst unterschiedliche musikalische Gesichter. „Parsifal“lässt sich lesen als warmwohliges Gefühlsbad mit garantiertem Erlösungsglück. Oder als Todesmusik, die genau diese Ingredienzen bei der Gurgel packt, umbringt, damit die wohlige Operntradition zum Schlusspunkt führt – und all die Revolutionen und Schrecken des 20. Jahrhunderts vorankündigt.
Zweiteres Gesicht würde zum Bühnengeschehen passen, Dirigent Alexander Soddy aber widmet sich dem ersteren. Sein „Parsifal“streicht die Gefängnisfassade schön an, fühlt sich im Wohlklang des Karfreitagszaubers und im Hardrock der zweiten Verwandlungsmusik zu Hause – und erhielt dafür viel Zuspruch. Die Wucht dieses musikhistorischen Abgesangs aber bleibt ungeborgen. KURIER-Wertung: ★★★★★
Muskulöser Gurnemanz: Günther Groissböck