Kurier (Samstag)

Corona-Fonds: Razzien und Festnahmen in Österreich

Kritik an Vergabekri­terien / Scheinfirm­en sollen Millionen abgezwickt haben

- AUS BRÜSSEL KONRAD KRAMAR

Sportautos, Luxusuhren, Gold, Juwelen: Die Razzia der Finanzpoli­zei, die zuletzt in Italien, Rumänien und auch in Österreich stattfand, lieferte beachtlich fette Beute.

In Auftrag gegeben hat die Großoperat­ion mit Hunderten Polizisten die Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft EPPO. Die bestätigt gegenüber dem KURIER, dass es auch in Österreich – untersucht wurden Firmensitz­e und private Wohnungen – zwei Verhaftung­en gab. Auch ein ehemaliger Skirennläu­fer aus Südtirol wurde in der slowakisch­en Hauptstadt Bratislava verhaftet. Er soll eine der Zentralfig­uren des kriminelle­n Netzwerks sein, das im Fokus der Ermittlung­en steht.

Anlass für die Razzien und die seit Monaten laufenden Ermittlung­en der EPPO: Mutmaßlich­er Betrug und Missbrauch von Hunderten Millionen an EU-Fördergeld­ern – und das aus einem riesigen Fördertopf, der zunehmend in Misskredit gerät: der Corona-Wiederaufb­aufonds RFF.

800 Milliarden Euro hat die EU auf dem ersten Höhepunkt der Corona-Pandemie im Dezember 2020 aus dem Boden gestampft – auch indem man ein Tabu brach: Erstmals nahm die Union gemeinsame Schulden auf. In aller Eile stellten die Staaten Listen von Projekten zusammen, in die das Geld f ließen sollte. Bisherige Regeln, die für die Vergabe von EU-Förderunge­n – etwa für die Landwirtsc­haft – gelten, wurden über den Haufen geworfen.

Grund genug für den EURechnung­shof, massive Kritik am RFF zu üben. Rechnungsh­of-Chef Tony Murphy spricht gegenüber Journalist­en von „unscharf formuliert­en Zielen“, die oft „nichts bedeuten“würden. Die Regeln, die die Kommission eingeführt habe, machten eine präzise Kontrolle beinahe unmöglich: „Dadurch gibt es ein höheres Risiko für Unregelmäß­igkeiten oder sogar Korruption.“

Aufdeckung in Italien

Konkretere Vorwürfe und tatsächlic­he Skandale lieferte vor Kurzem der Rechnungsh­of jenes EU-Mitgliedsl­andes, das mit Abstand den bisher größten Anteil aus Corona-Fonds kassiert hat: Italien. 200 Milliarden Euro an Förderunge­n sind dorthin und in oft erstaunlic­he Projekte geflossen, die mit Corona-Folgen und deren Linderung schlicht nichts zu tun haben. Das deutsche Nachrichte­nmagazin Spiegel berichtet über großzügig um ein paar Löcher ausgebaute Golfplätze, Sanierunge­n mittelalte­rlicher Ruinen in Süditalien und Verschöner­ungen von barocken Brunnen in Rom.

Doch die jüngste Razzia zeigt, dass der Corona-Fonds nicht nur für die eigenwilli­gen Pläne nationaler Behörden attraktiv war, sondern eben auch für kriminelle Netzwerke. Was die EPPO bisher an Ergebnisse­n der Fahndung bekannt gegeben hat, deutet auf strategisc­h geplanten Betrug hin. Da wurden Scheinfirm­en gegründet, die gefälschte Bilanzen erstellten, um Aktivitäte­n vortäusche­n und entspreche­nd von der EU kassieren zu können. Erste Schätzunge­n des Schadens belaufen sich auf rund 600 Millionen Euro. Derzeit wird in 200 Fällen ermittelt.

Die Vergabe der Mittel nachträgli­ch noch auf neue Schienen zu setzen, wird schwierig. Schließlic­h sind die Milliarden aus Brüssel zu einem Gutteil bereits verteilt. Klar ist, so urteilt ein italienisc­her Finanzexpe­rte, der sich durch sämtliche Projekte durchgearb­eitet hat, „der Plan steckt in gewaltigen Schwierigk­eiten.“

 ?? ?? Mit 800 Milliarden Euro wurde Ursula von der Leyens Wiederaufb­aufonds ausgestatt­et. Die sollen auch an Betrüger geflossen sein
Mit 800 Milliarden Euro wurde Ursula von der Leyens Wiederaufb­aufonds ausgestatt­et. Die sollen auch an Betrüger geflossen sein

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