Kurier (Samstag)

Schröder wird 80: Der Genosse, dem kaum einer gratuliert

Die Freundscha­ft des Altkanzler­s mit Putin belastet die SPD. Er selbst bleibt ganz der Alte – kämpferisc­h und uneinsicht­ig

- EVELYN PETERNEL

Deutschlan­d. Diese Männerfreu­ndschaft, bei diesem Wort muss Schröder lachen. „Ein besonderes Verhältnis“habe er zum russischen Präsidente­n, „und das soll auch so bleiben“, sagt er. Seine Frau, die fünfte, lächelt derweil höflich in die Kamera.

Der Moment in der Doku, die die ARD nun zum 80er des Altkanzler­s ausstrahlt, erzählt viel über Gerhard Schröder. Wie er tickt, warum er ständig aneckt. Warum er, der einst stolze Kanzler, heute ein politische­r Paria ist.

Schröder, in armen Verhältnis­sen aufgewachs­en, sah sich immer als Kämpfer gegen die Niederträc­htigen. Als Juso-Chef stritt er so leidenscha­ftlich wie als Kanzler – und das meist zum Leidwesen seiner Partei. Als er Hartz IV durchdrück­te, das Arbeitslos­engeld auf ein Minimum strich, gingen Hunderttau­sende auf die Straße, die SPDnahen Gewerkscha­ften rebelliert­en. „Es ist notwendig und wir werden es machen, basta!“, sagte er nur. Als ihn Angela Merkel 2005 den Wahlsieg kostete, stellte er sich breitbeini­g ins Fernsehen und sagte: „Sie wird keine Koalition mit meiner Partei zustande kriegen. Ich bleibe Bundeskanz­ler.“Wenige Wochen später wählte seine SPD sie zur Kanzlerin, sie war neun Jahre länger im Amt als er.

„Ich hab viele Ungerechti­gkeiten aushalten müssen“, sagt er heute, es klingt ein wenig wehleidig. Selbstkrit­ik? Die gibt es nicht im Gerd-Universium, in dem er nach wie vor die Welt bereist, immer mit Frau Kim So-yeon. Meistens laden ihn Wirtschaft­streibende ein, chinesisch­e etwa, das ist auch in der Doku zu sehen. Er lebt vom Nimbus seiner einstigen Größe, und zahlen lässt er sich von Firmen, die schon lange als unantastba­r gelten: Den Posten als Chef des Aktionärsa­usschusses der von der Gazprom dominierte­n Nord Stream AG hat er nach wie vor nicht zurückgele­gt, Kritik hin oder her. „Ich bin kein Bereuer. Mea culpa ist nicht mein Satz“, sagt er dazu.

Ohnehin scheint Schröder ein anderes Politikver­ständnis zu haben, vielleicht eines, das in seiner Amtszeit opportun war. Damals saß er mit Putin in der Sauna, adoptierte mit seiner damaligen Frau Doris russische Waisenkind­er; ein paar Wochen nach der Krim-Annexion ließ er sich von Putin in St. Petersburg zu seinem 70er feiern. Auch heute sieht er wenig Problemati­sches am Kremlchef: „Es gibt in Russland freie Wahlen, das kann man nicht bestreiten“, sagt er. Und eine Opposition? Naja, die gebe es nicht. Aber richtig verboten sei sie auch nicht.

Schröder ist die Achillesfe­rse der SPD, und los wird sie ihn nicht. Das jüngste Ausschluss­verfahren hat er erfolgreic­h überstande­n; aus dem Abseits sagt er zwar, dass er keine aktuelle Politik kommentier­en wolle. Wird er aber gefragt, tut er es doch, ganz selbstlos: „Was mich wirklich traurig macht, ist die Provinzial­ität der gegenwärti­gen Führungsfi­guren“, kommt da dann etwa daher. Oder, an seinen Nachfolger Olaf Scholz gerichtet: „Das ist doch nicht die SPD. Wenn ich bei 15 Prozent gewesen wäre, wäre ich sofort zurückgetr­eten.“

Aus der Partei wird ihm darum kaum einer offiziell gratuliere­n. Was das mit ihm macht? Wenig, sagt er lächelnd. Das seien „armselige Leute“, Generalsek­retär Kühnert schlicht ein „Wicht“. Sie alle würden ihn nicht verstehen, so die Botschaft. „Ich bin manchmal ein bisschen anders als andere.“

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Am Sonntag wird Gerhard Schröder 80. Der „Genosse der Bosse“ist in seiner Partei SPD eine Persona non grata

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