Industrie will nicht länger für Familienleistungen aufkommen
Lohnnebenkostensenkung soll die Wettbewerbsfähigkeit verbessern
Österreichs Industrie steckt mitten in der Rezession. Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht. „Es ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen“, fasst Andreas Mörk, Geschäftsführer der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer (WKO) zusammen. Die Industrieproduktion ging im Vorjahr im Vergleich zu 2022 um 14 Prozent auf 217,4 Mrd. Euro zurück. Der Ausblick für das laufende Jahr ist gemäß einer Umfrage unter den 16 Fachverbänden negativ, maximal stagnierend. Während die Aufträge ausblieben, stiegen die Lohnstückkosten nicht zuletzt wegen der hohen Gehaltsabschlüsse im Vorjahr. Vor allem exportorientierte Unternehmen sorgen sich um die Wettbewerbsfähigkeit.
„Der Ernst der Lage scheint vielen noch nicht klar zu sein“, sagt Spartenobmann
Siegfried Menz und fordert von der Politik dringend bessere Rahmenbedingungen.
Um die Wettbewerbsfähigkeit anzukurbeln, müssten vor allem die Arbeitskosten runter, so Menz. Er fordert eine Lohnnebenkostensenkung auf deutsches Niveau. Konkret soll etwa die Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) über den öffentlichen Haushalt erfolgen und nicht wie bisher ausschließlich durch Arbeitgeber-Beiträge. Derzeit müssen Betriebe 3,7 Prozent der Beitragsgrundlage (Lohn- und Gehaltszahlungen) selbst berechnen und beim Finanzamt abführen.
Familienleistungen
Der FLAF speist nicht nur die gesamte Familienbeihilfe, sondern auch Kinderbetreuungs- und Karenzgeld, Fahrtenbeihilfe, Schulbücher sowie sonstige familienpolitische Maßnahmen. Weil die Ausgaben regelmäßig die
Einnahmen aus dem Fonds überschreiten, muss der Staat den Rest aus dem Budget zuschießen. Zuletzt wurde der Beitrag zum FLAF von 4,5 auf 3,7 Prozent gesenkt. Dass die Betriebe in Österreich alle möglichen Familienleistungen finanzieren müssen, halten die Branchenvertreter mit Blick ins Ausland für einen Wettbewerbsnachteil: „Wir wollen nicht für Kosten aufkommen, die mit der Industrie nix zu tun haben“, betont Menz. Auch bei der Finanzierung des Arbeitslosengeldes fordert er eine weitere Senkung. Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag sei mit 5,9 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland.
Trotz latenten Fachkräftemangels beginnen die Industriebetriebe langsam, Personal abzubauen. Die Industriearbeitslosigkeit ist im Jahresvergleich Ende März mit 20 Prozent deutlich stärker angestiegen als die allgemeine. Der Abbau könnte sich beschleunigen, wenn sich die Auftragslage nicht bessert, so die Befürchtung der Branchenvertreter. Im Vorjahr nahm der Gesamtbeschäftigtenstand trotz Abschwungs mit rund 473.000 sogar leicht zu.
„Wir wollen nicht für Kosten aufkommen, die mit der Industrie nix zu tun haben“Siegfried Menz Industriesprecher WKO APA / H E L MUT F O H R I N G E R