Kurier (Samstag)

Zu den Kommunalwa­hlen in der Türkei

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„Das ist nicht das Ende des Erdoganism­us: Der Rais, der sich schon oft als geschickte­s politische­s Chamäleon erwiesen hat, bleibt im Sattel. Aber es ist sicherlich der schlimmste Rückschlag seiner politische­n Karriere: Seine Führung ist nun anfechtbar und umstritten. Wahrschein­lich wird die Niederlage Erdogan veranlasse­n, einige Minister auszutausc­hen. Insbesonde­re könnte sie seine Pläne für eine abermalige Verfassung­sänderung bremsen, um sich die Tür für eine dritte Amtszeit im Jahr 2028 offenzuhal­ten. (...) Vor allem aber trübt die schwindend­e Unterstütz­ung das Bild des einsamen starken Mannes, der das Kommando führt, selbst gegenüber führenden Politikern der Welt.“La Repubblica Rom

„Es wäre verfrüht, das Ende der Ära Erdogan einzuläute­n. Die nächsten Wahlen stehen erst 2028 an. Niemand kann der Regierung bis dahin die Macht streitig machen. Auch ist es keineswegs sicher, dass die Türkinnen und Türken bei der Präsidente­nwahl so abstimmen werden wie bei der Wahl ihrer Bürgermeis­ter und Stadträte. Doch gibt der Sieg der Opposition neue Hoffnung. Er zeigt, dass die AKP nicht unbesiegba­r ist. Auch ist nicht mehr zu übersehen, dass der alternde Präsident den Zenit überschrit­ten hat. Mit Mansur Yavas in Ankara und Ekrem Imamoglu in Istanbul hat die CHP zudem zwei Politiker, welche die Massen zu begeistern wissen. Gerade Imamoglu macht kein Geheimnis daraus, dass er nationale Ambitionen hat. Mehr denn je ist der Istanbuler Bürgermeis­ter der gefährlich­ste Herausford­erer.“

Neue Zürcher Zeitung

„Das Sparprogra­mm, das Erdogan seit seiner Wiederwahl verfolgte, hat die westlichen Märkte besänftigt, aber die Kernwähler­schaft der AKP verprellt. Die Fähigkeit des charismati­schen Imamoglu, konservati­ve Wähler für die CHP zu gewinnen, macht ihn zu einem Gegner, der weitaus stärker ist als der glanzlose Kandidat, den die Opposition­sparteien im vergangene­n Mai (bei der Präsidents­chaftswahl) aufgestell­t hatten.“

The Guardian

London

„In den vergangene­n 20 Jahren hat Erdogans Partei AKP die Medien sowie die Justiz und andere staatliche Institutio­nen unter ihre Kontrolle gebracht. Zu sagen, dass die Rechtsstaa­tlichkeit unter Druck steht, ist eine Untertreib­ung. Doch so sehr Erdogan auch an den demokratis­chen Spielregel­n zerrte, Opposition blieb weiterhin möglich. So zahlt ein autokratis­cher Machthaber früher oder später den Preis für die explodiere­nde Inflation, die Korruption, die Bemächtigu­ng der Medien und der Nationalba­nk und die Aushöhlung demokratis­ch-rechtsstaa­tlicher Prinzipien.“

De Standaard Brüssel

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