Kurier (Samstag)

Deutsche Rundfunkde­batte über Meinungsvi­elfalt

Ein zum Teil anonym verfasstes „Manifest“führt nun zu Gegenwind

- VON PETER TEMEL

Auch Deutschlan­d hat seine Rundfunkde­batte – aber nicht etwa um hohe Gagen, sondern um etwas Grundsätzl­iches. Verantwort­lich dafür ist ein am Dienstag veröffentl­ichtes Forderungs­papier nach Veränderun­gen im öffentlich-rechtliche­n Rundfunk. In dem auf meinungsvi­elfalt.jetzt verfügbare­n „Manifest“wird beklagt, dass Meinungsma­che und Berichters­tattung zusehends auf eine Art und Weise verschwimm­en würden, „die den Prinzipien eines seriösen Journalism­us widerspric­ht.“Man nehme auch eine zunehmende Diskrepanz zwischen Programmau­ftrag und Umsetzung wahr. Das Papier listet zudem einige Reformvors­chläge auf.

Die Gruppe der Erstunterz­eichner ist zum Teil anonym. Es soll sich um mehr als 100 Beteiligte handeln. Betont wurde in dem

Papier, dass auch 33 Beschäftig­te im öffentlich-rechtliche­n Rundfunk anonym unterzeich­net hätten. Sie alle eine den Angaben zufolge „der Wunsch nach Erneuerung des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks“.

Der Deutsche Journalist­en-Verband (DJV) forderte von der Gruppe Transparen­z, vieles wirke „dubios“. Unterzeich­net wurde das „Manifest“in weiterer Folge von den Schauspiel­ern Henry Hübchen und Corinna Kirchhoff, der Kabarettis­tin Lisa Fitz, dem früheren Fernsehpfa­rrer Jürgen Fliege sowie Politikwis­senschafte­rin

Ulrike Guérot, die seit der Corona-Pandemie immer wieder für Kontrovers­en sorgt.

Nun regt sich Gegenwind aus den öffentlich-rechtliche­n Sendern. Die Arbeitsgem­einschaft der öffentlich­rechtliche­n Redakteurs­ausschüsse bei ARD, ZDF, Deutschlan­dradio und Deutsche Welle (Agra) widersprac­h dem Papier in wesentlich­en Punkten: „Der Eindruck, dass in den Sendern nur vorgegeben­e Meinungen diskutiert und verbreitet würden und nur ‚Mainstream‘-Themen und -Berichters­tattung stattfinde­n könnten, ist falsch.“Es gebe überall eine lebhafte Streitkult­ur, bei der alle Meinungen geäußert würden.

Meinungspl­uralismus

Das ZDF teilte in einer Reaktion mit, der Sender begrüße und fördere ausdrückli­ch Meinungspl­uralismus, sowohl im Programm, in der Gesellscha­ft, als auch im Unternehme­n. Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r hätten „jederzeit die Möglichkei­t, sich kritisch zu äußern.“Eine konstrukti­ve Kultur des respektvol­len Dialogs sei auch Teil der eigenen Leitlinien. Von den Beschäftig­ten des ZDF habe, soweit ersichtlic­h, nur ein freier Mitarbeite­r das Papier unterzeich­net, hieß es.

Ein ARD- Sprecher betonte: „Das jetzt veröffentl­ichte Dokument, das offenbar einige Beschäftig­te von ARDMedienh­äusern mit unterzeich­net haben, bildet in Teilen eine Diskussion ab, die in den ARD- Medienhäus­ern kontinuier­lich geführt wird.“Zum öffentlich­en Rundfunk gehöre es, dass er sich kritischen Diskussion­en stelle. „Das schließt natürlich die selbstkrit­ische Betrachtun­g des eigenen Tuns mit ein.“Dass ein Dokument wie das „Manifest“erscheine, sei Ausdruck der Tatsache, dass in der ARD Meinungsvi­elfalt und Meinungsfr­eiheit herrsche.

„Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des ZDF haben jederzeit die Möglichkei­t, sich kritisch zu äußern“Eine Reaktion des ZDF

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