Kurier (Samstag)

DIE HAARE SCHÖN

Was die Länge und Qualität weiblicher Haarpracht mit der ehelichen Sex-Frequenz zu tun hat – und was es bedeuten könnte, wenn jemand an seinen Locken dreht. Im jeden Fall gilt: Haare sind mystisch, magisch, geheimnisv­oll. Und irgendwie gilt das auch für G

- Gabriele.kuhn@kurier.at

Jeder sieht sie, trotzdem sind sie etwas Intimes. Die überlässt man Fremden nicht, man stelle sich nur vor, da käme ein beinahe fremder Mensch daher und würde ungefragt mit seinen Fingern im Kopfhaar seines Gegenübers herumwühle­n. Geht gar nicht, das darf nur der Coiffeur des Vertrauens. „Get out of my hair“, sagen die Engländer – und meinen damit: Nerv mich nicht! Nachvollzi­ehbar. Daran fummeln tut am besten jeder nur für sich: „Eigenberüh­rungen“, die von Flirt-Experten als unbewusste Signale gewertet werden. Wer sich durch die Haare streicht, signalisie­rt Interesse, beiläufige­s Lockendreh­en sei hingegen eine erotische Unruhegest­e, wie es im Buch „Haarig“heißt. Von zeitloser Eleganz und erotischer Lässigkeit sei hingegen das Zurückwerf­en einer üppigen Mähne.

Womit wir bei einer aktuellen Studie aus Südkorea

(veröffentl­icht in „Frontiers in Psychology“) gelandet wären. „Ehefrauen mit langem und gesundem Haar haben häufiger Sex“lautet ihr Titel – und ja, zugegeben, das wirkt ein bisschen seltsam, verbunden mit der Frage, woran heutzutage so geforscht wird. Und trotzdem klingen die Ergebnisse schlüssig. Die Erotik schöner Haarpracht ist ja belegt – als Symbol von Weiblichke­it und Attraktivi­tät. Je dichter und fester das Haupthaar, desto eindeutige­r die Message: Hier handelt es sich um jemanden, der gesund, gut genährt und vital ist – im Sinne der sexuellen Fitness. Symbolisch­e Bedeutung hatte auch immer schon die Weise, wie man sein Haar trug. „Langes, lockeres Haar wurde mit Zügellosig­keit, Sexualität, geistiger Freiheit, friedliche­r Rebellion und Kreativitä­t assoziiert; straffes Haar mit Disziplin, Selbstbehe­rrschung, Tüchtigkei­t, Anpassungs­fähigkeit und Selbstbewu­sstsein“, schrieb der Verhaltens­forscher Desmond Morris in seinem Buch

„Die nackte Eva“. Mir fällt an dieser Stelle nur ein, wie Frauen in den Achtzigerj­ahren des vergangene­n Jahrhunder­ts die Haare stylten – Stichwort: Dynasty. „Big Hair Look“hieß das damals, man tat und nahm alles, um das Volumen maximal zu pimpen. Sinnlich fühlte sich die Pracht allerdings nicht an – außer man war bekennende­r Gel-Fetischist. Das gilt übrigens auch für die 1960er-Jahre, Motto: Die Frisur sitzt. Dank erhöhten Haarspray-Aufkommens, Toupierens und – weniger sexy – Lockenwick­ler. Und die Männer? Die punkteten seinerzeit mit Brusthaar. Zurück zur Studie: Ihre Ergebnisse legen nahe, dass Frauen mit langem und hochwertig­em Haar häufiger Geschlecht­sverkehr mit ihrem Ehepartner erlebten, weil sie als attraktive­r von ihren Männern wahrgenomm­en werden. Salopp formuliert, könnte man von einem Haar-Schnacksel-Quotienten sprechen. Umgekehrt – nix da. Weder die Haarlänge noch die Haarqualit­ät eines Mannes spielen in Sachen SexFrequen­z eine Rolle. Meine Herren, legen Sie Föhn, Brillantin­e und Lockenstab zur Seite, weil: umsonst. Vielleicht sollte man an dieser Stelle bei der männlichen Glatze halten, um die sich viele Mythen drehen, vor allem in Sachen Potenz. Nein, schütteres Haar ist kein Pornohengs­t-Indiz, sondern das Ergebnis genetische­r Veranlagun­g. Dabei spielt ein Abkömmling des männlichen Sexualhorm­ons eine Rolle, aber eben nicht so, wie viele denken. Sex Appeal hat die Glatze allemal: „So ein Schädel verführt zur Berührung. Ist er sanft oder kratzig? Oder wie das Fell von einem Tier?“, heißt es dazu im Haar-Buch. Am Ende gilt für beide Geschlecht­er: Wer genauer wissen will, wie die Sexualität und Sinnlichke­it einer Person wirklich beschaffen ist, muss schon mehr tun, als dem anderen die Haare zu raufen – oder, wie im Glatzen-Fall – dessen Kopfhaut zu besichtige­n.

„’Big Hair Look’ hieß das damals, man tat und nahm alles, um das Volumen maximal zu pimpen. Sinnlich fühlte sich die Pracht allerdings nicht an – außer man war bekennende­r Gel-Fetischist“.

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