Ein Phantomschmerz ist geblieben
Im März 2020 geschah, was man bis dato nicht für möglich gehalten hätte: Die Republik (und die Welt) sperrte wegen eines unbekannten Virus zu. Eine Kaskade an Regeln folgte, die im Juli 2023 alle ausgelaufen sind. Manche davon schränkten die Grundrechte massiv ein. Noch immer schwelt deshalb ein – von der FPÖ befeuerter – Unmut. So ist vor allem die problematische, aber ohnehin nie in Kraft getretene Impfpflicht bei manchen als Phantomschmerz geblieben.
Und natürlich waren die gesperrten Schulen eine Zumutung. Aber auch wenn die Maßnahmengegner viel lauter waren und sind: Mindestens genauso viele Bürger wollten damals das Gegenteil, also noch schärfere Vorschriften. Herbert Kickl gehörte übrigens anfangs dazu.
Mittlerweile kursieren in den sozialen Medien etliche „vielsagende“Posts der Corona-Impfgegner über unerwartete Todesfälle. Ein Zusammenhang mit der Impfung entbehrt einer echten wissenschaftlichen Grundlage. Aber genau daran – an die jeweils jüngsten Erkenntnisse – hielt sich die Politik. Was natürlich nicht heißt, dass diese am Ende immer richtig waren. Auch die Forschung durchlief einen Prozess – wie immer, nur war man diesmal live dabei. Ja, es gab Irrwege und Irrglauben. Das Versprechen zum Beispiel, die Impfung schütze vor Ansteckung und auch vor der Weitergabe des Virus, erwies sich als falsch. Wahrscheinlich schützte sie nur vor schweren Verläufen. Und man muss wohl darüber diskutieren, dass auch die Universitäten Kritiker unerbittlich „gecancelt“haben, als ob begründete Zweifel nicht Voraussetzung jeder Wissenschaft wären. (Das passiert jetzt übrigens bei Klima- und Genderthemen genauso.) Aber die wehleidige Wut über die „Diktatur“der Bürokratie in Österreich ist übertrieben. Das verharmlost autoritäre Regime: In China hungerten Menschen in ihren Wohnungen, während bei uns die Bürger schon maulten, weil sie sich nur heimlich im Wirtshaus-Hinterzimmer treffen konnten. In den USA und in Asien gingen Geschäfte einfach pleite, weil ihnen niemand großzügigen Umsatzersatz zahlte.
Das geringe Verständnis der Österreicher lag wohl auch am guten Pandemiemanagement zu Beginn. Daher gab es viel weniger Tote als zum Beispiel im italienischen Bergamo. Dort verlegte man Infizierte in Altenheime. Auch in Schweden starben anfangs mehr, weil Senioren nicht extra geschützt wurden. Am Ende hatte Schweden jedoch weniger soziale Isolation und eine geringere Übersterblichkeit als Österreich. Vielleicht nur ein Problem der statistischen Methode: Bei uns wurde jeder als Corona-Sterbefall gezählt, selbst wenn eine schwere, andere Grunderkrankung vorlag. Im Rückblick ist man weiser. Es gab Irrtümer, die in der Panik passieren. Das kann die Regierung ruhig zugeben. Und dann widmen wir uns alle wieder den jetzt wichtigeren Themen.
Der Unmut der Corona-Impfgegner schwelt weiter und wird auch geschürt. Ja, es gab in der Panik Irrtümer, aber keine Diktatur