Kurier (Samstag)

Wassernots­tand: Volle Pools erhitzen die Gemüter

Kritik an Wasserverb­rauch im Tourismus wächst im ganzen Land

- AUS BARCELONA JULIA MACHER

Abwässer, die ungefilter­t in den Atlantik fließen. Verstopfte Straßen. Anwohner, die wegen der Wasserknap­pheit ihre Gärten nicht mehr gießen dürfen, während die Pools nebenan gefüllt sind: Für Ruben Pérez Flores sind das nur zwei von vielen Gründen, warum er den Massentour­ismus auf den Kanarische­n Inseln zum Teufel wünscht.

„16 Millionen Touristen jährlich zerstören unsere Lebensgrun­dlage“, sagt der Aktivist. „Wir brauchen einen sofortigen Genehmigun­gsstopp für Hotels und Ferienanla­gen.“Um den von der Regionalre­gierung zu erzwingen, traten einige seiner Mitstreite­r am Donnerstag in einen unbefriste­ten Hungerstre­ik, begleitet von einem Dauercamp in der Universitä­tsstadt La Laguna. Es ist die bisher radikalste Aktion der Bürgerbewe­gung „Canarias se agota“(„Die Kanaren sind erschöpft“).

Die Kanarische­n Inseln sind nicht die einzige Region in Spanien, in der das Geschäft mit Sonne, Strand, Sangría zunehmend kritisch gesehen wird.

Seit mehr als drei Jahren regnet es in weiten Teilen des Landes zu wenig. In Katalonien, im Nordosten des Landes, wurde Anfang Februar der Wassernots­tand verhängt. Nicht nur Landwirtsc­haft und Industrie, auch Privathaus­halte müssen ihren Wasserverb­rauch reduzieren: Pro Person und Tag dürfen nur noch 200 Liter Trinkwasse­r bereitgest­ellt werden, Krankenhäu­ser, Schulen, Dienstleis­tung miteinbere­chnet.

Die Ferienregi­on Andalusien könnte im Sommer zu ähnlichen Maßnahmen greifen. Kann sich das Dürreland Spanien noch leisten, dass zeitgleich Urlauber in HotelPools planschen oder in üppigem Grün Golf spielen?

Für Dante Maschio von der Umwelt-Plattform „Aigua és Vida“(„Wasser ist Leben“) ist die Antwort klar. „Wir müssen mit aller Macht gegensteue­rn: Schließlic­h ist der Tourismus nach der Landwirtsc­haft die Branche, die am meisten Wasser verbraucht.“Genau Zahlen über den Wasserkons­um der Branche gibt es nicht. Aber allen Studien zufolge liegt Verbrauch von Urlaubern deutlich über dem von Einheimisc­hen.

Hotels als Großverbra­ucher

Den Wasserverb­rauch von Barcelonas Hotels beziffert er auf 163,5 Liter pro Tag und Person. Aus den Wasserhähn­en eines Barcelones­en fließen im Schnitt etwa 100 Liter. Und: Ein Viertel der Großverbra­ucher – dazu zählen Betriebe, die pro Jahr mehr als 7000 Kubikmeter Wasser konsumiere­n – sind Hotels.

„Trotzdem gibt es kaum branchensp­ezifische Auflagen“, schimpft Maschio. „Alle müssen sparen, aber den Tourismus fasst man mit Samthandsc­huhen an.“

Während die Landwirtsc­haft in Katalonien den Wasserverb­rauch um 80 Prozent, die Industrie ihren um 25 Prozent reduzieren muss, unterliege­n Hotels, Pensionen und Campingplä­tze nur den allgemeine­n Begrenzung­en für Gemeinden. Lediglich bei der Befüllung der Pools gibt es eine Sonderrege­lung: Neu befüllt darf gar nicht mehr werden – und nachgefüll­t nur mit Meerwasser. Es sei denn, die Hoteliers finanziere­n aus eigener Tasche eine Entsalzung­sanlage – so wie das der Hotelverba­nd aus Lloret de Mar vorgemacht hat.

Anfang Februar kaufte der Zusammensc­hluss für 1,5 Millionen Euro eine mobile Entsalzung­sanlage für seine Mitglieder. Im Mai soll die Anlage am südlichen Ende der Strandprom­enade aufgestell­t werden und bis zu 50.000 Liter Trinkwasse­r pro Stunde produziere­n. 103 Hotels, Pensionen und Golfplätze sollen einmal wöchentlic­h per Tanklastwa­gen mit der begehrten Ressource beliefert werden.

Trotz Hungerstre­iks und einer zunehmend erhitzten Debatte: Das Urlaubsges­chäft gilt in Spanien weiter als Wohlstands­garant. 12,8 Prozent seiner Wirtschaft­sleistung verdankte das Land zuletzt dem Tourismus. In besonders beliebten Regionen, etwa auf den Balearen oder den Kanaren, sind es bis zu dreißig Prozent. Die Branche ist hauptveran­twortlich dafür, dass die spanische Wirtschaft nach dem Pandemieti­ef vergleichs­weise schnell wieder auf die Beine kam. Auch deshalb hat es die Kritik schwer. Die Proteste werden zwar gehört, aber Restriktio­nen scheut die Politik.

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Wassermang­el in Katalonien: Seit Jahren regnet es zu wenig
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