Kurier (Samstag)

Soll der Handel länger offen halten?

PRO&CONTRA

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Selbstvers­tändlich. In kaum einem anderen marktwirts­chaftlich orientiert­en Land sind die Öffnungsze­iten von Geschäften so rigoros geregelt wie in Österreich. Hierzuland­e wird ohnehin lieber von Ladenden schlusszei­ten gesprochen, was Zugang zu dem Thema bestens beschreibt. Händler und Konsumente­n sind seit vielen Jahren in ihren Freiheiten eingeschrä­nkt.

Selbst wenn nur der Eigentümer in seinem Laden stehen und Waren verkaufen würde, wäre dies verboten. Am skurrilste­n ist es wohl, wenn am Sonntag in Supermärkt­en Warengrupp­en hinter Gittern versperrt werden, da sie nicht als Reiseprovi­ant zählen und an dem Tag nicht verkauft werden dürfen. Wer also Toilettenp­apier oder gewisse Tiefkühlwa­ren benötigt, hat Pech gehabt oder muss sich zu einer Tankstelle begeben. Abseits vom zusätzlich­en Zeitaufwan­d muss dort auch oft mehr bezahlt werden. Nicht einmal die Zustellung von Lebensmitt­eln an Sonntagen ist erlaubt und auch Selbstbedi­enungsboxe­n ohne einen einzigen itarbeiter dürfen nur 76 Stunden in der Woche offen haben. Vom Verfassung­sgerichtsh­of ist diese Absurdität gedeckt. Es ist höchste Zeit, Österreich in diesem Punkt auf europäisch­es Niveau zu heben. Im Idealfall sollte rund um die Uhr geöffnet sein dürfen, selbstvers­tändlich mit entspreche­nd hohen Zuschlägen für die Arbeitnehm­er. Anzunehmen ist, dass sich dann dafür Mitarbeite­r finden würden. Dass damit das traute Familienle­ben ein Ende findet, ist nicht zu befürchten; es funktionie­rt ja auch in anderen Ländern und Branchen.

Robert Kleedorfer, Ressortlei­ter Wirtschaft

Wer schon einmal in der Gastro gejobbt hat, der weiß: Nach 22 Uhr steht man sich unter der Woche die Beine in den Bauch. Auch – oder zum Teil sogar ganz besonsollt­e ders – in Wien. Warum also das bei den Supermärkt­en anders sein? Wie groß kann die Nachfrage nach einem Wocheneink­auf nach 20 Uhr sein, wenn die Österreich­erinnen und Österreich­er doch nicht gerade als Nachtschwä­rmer bekannt sind? Im Gegensatz zum mediterran­en Tagesrhyth­mus, wo das Abendessen um 22 Uhr erst beginnt.

Abgesehen davon muss sich der Handel die längeren Öffnungsze­iten auch erst einmal leisten können. Allein die Zuschläge kommen – zurecht – teuer zu stehen. Aber wer zahlt dafür? Am Ende vielleicht der Konsument? Viel eher als kleine Einzelhänd­ler können sich das aber große Konzerne leisten.

Im Handel ist es zudem ohnehin schwer genug, Personal zu finden. Zuschläge gleichen für iele die Arbeitszei­ten bis in die acht nicht aus. Stichwort Work-Lie-Balance, die für Arbeitnehm­er immer wichtiger wird. Und ganz ehrlich: Warum sollte die eigene Work-Life-Balance, die es einem erlaubt, bis 23 Uhr eine Packung Nudeln zu kaufen, auf Kosten der Freizeit eines anderen gehen?

Leichter wird die Personalsu­che durch Nachtstund­en bestimmt nicht. Wer am Sonntag an der Kassa sitzt, ist also der, der es am dringendst­en benötigt und es sich nicht leisten kann, über die eigene Work-Life-Balance nachzudenk­en. Alle anderen sind um 22 Uhr längst zu Hause.

Anna Perazzolo, Chronik-Redakteuri­n

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