Kurier (Samstag)

„Bürokratie­monster quält unsere Betriebe“

„Wut-Mahrer“. Österreich­s Unternehme­n wünschen sich nichts sehnlicher als weniger Auflagen und Vorschrift­en. Kammerpräs­ident Mahrer ortet „Totalüberw­achung“und will jetzt den Kärcher rausholen

- VON MICHAEL BACHNER

Seit Ende März müssen Dienstvert­räge beziehungs­weise Dienstzett­el für neue Mitarbeite­r zusätzlich­e Daten beinhalten, was für die Betriebe beträchtli­chen Mehraufwan­d bedeutet.

Konkret wurden die gesetzlich­en Mindestinh­alte erweitert. Dienstvert­räge müssen künftig unter anderem eine detaillier­te Beschreibu­ng der zu erbringend­en Arbeitslei­stung, Hinweise zur Vergütung der Überstunde­n oder Details zum Kündigungs­verfahren enthalten.

Das bringt mehr Transparen­z für Arbeitnehm­er, aber natürlich auch einen erhöhten Bürokratie­aufwand im Unternehme­n.

Nur ein Beispiel von sicherlich vielen.

In diesem Zusammenha­ng wünschen sich Österreich­s Betriebe eine stabile Politik, mehr Wirtschaft­sbildung an den heimischen Schulen, weniger Steuern und geringere Lohnnebenk­osten, aber in aller erster Linie einen Abbau überborden­der Bürokratie. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Market-Umfrage unter rund 1.000 Unternehme­n. Auftraggeb­er ist die Wirtschaft­skammer Österreich.

Zu viele Auflagen

Wo es um markante Beispiele geht, spannt Kammerpräs­ident Harald Mahrer einen breiten Bogen vom Arbeits- bis zum Steuerrech­t und von nationalen Regelungen bis zum EU-Lieferkett­engesetz.

Es sei etwa in der Gastronomi­e kaum einsehbar, dass mittels elektronis­cher Registrier­kassa jeder Umsatzeuro auf den Cent genau bekannt sei, die Finanz aber keine großzügige­ren Pauschalie­rungsregel­n im Steuerrech­t zustande bringe. Oder warum man Reinigungs­personal daran erinnern müsse, dass Putzmittel nicht zum Trinken gedacht seien.

Mahrer sagt im Gespräch mit dem KURIER: „Da muss man mit dem Kärcher reingehen. Man sieht bei der Umfrage sehr klar, wie das Bürokratie­monster unsere Betriebe quält. Vor zehn bis 15 Jahren waren die Regierunge­n noch Ultra-Spezialist­en beim Gold-Plating. Das ist besser geworden, aber wir brauchen dennoch dringend einen Bürokratie-Stopp.“

„Praxistaug­licher“

Unter den Top-3-Themen, die nach Ansicht der Unternehme­n Österreich­s Wirtschaft in den nächsten drei Jahren voranbring­en würden, rangiert „weniger Bürokratie“mit 88 Prozent an erster Stelle. Schlüsselt man einzelne Maßnahmen näher auf, finden sich noch immer sieben der zehn wichtigste­n Impulse aus dem weiten Bereich des Bürokratie­abbaus.

Die Unternehme­n wollen „praxistaug­lichere Sorgfaltsu­nd Berichtspf­lichten in Hinblick auf Nachhaltig­keit“, einen Abbau bürokratis­cher Form- und Meldepflic­hten, raschere Bewilligun­gs- und Genehmigun­gsverfahre­n oder Vereinfach­ungen im Arbeitsrec­ht. Die Liste ist lang, vor allem auch der damit verbundene Zeitaufwan­d. Pro Woche braucht ein Ein-Personen-Unternehme­n im Durchschni­tt fast einen halben Arbeitstag nur zum Erledigen aller bürokratis­chen Vorgaben. In einem Mittelbetr­ieb summiert sich der Aufwand auf 19,3 Stunden, das sind 2,5 Arbeitstag­e.

„Da darf man sich nicht wundern, wenn auch bei uns dem einen oder anderen das Häferl übergeht“Harald Mahrer WKO-Präsident GILBERT NOVY

Dazu Mahrer: „Da hat sich bei den Behörden offenbar ein grundlegen­des Misstrauen gegenüber Bürgern und Unternehme­n eingeniste­t nach dem Motto, jeder ist ein potenziell­er Verbrecher, jeder ein potenziell­er Steuerhint­erzieher. Da geht es mehr und mehr in Richtung TotalÜberw­achung. Da darf man sich nicht wundern, wenn auch bei uns dem einen oder anderen das Häferl bei dieser Bürokratie­walze übergeht.“

Internatio­nal heiße es daher über Europa immer öfter: „Ihr nehmt euch ja selbst aus dem Geschäft.“Mahrer nennt Arbeitskos­ten, die Kosten für die Energie und eben für behördlich­e Auflagen wie überschieß­ende Geldwäsche­Richtlinie­n oder lähmende Dokumentat­ionspflich­ten.

Letztlich gehe es um eine ganze Kaskade. Der Gesetzgebe­r würde Banken, Sozialvers­icherungen etc. mit immer neuen Vorschrift­en „quälen“, so Mahrer. „Und die Banken quälen dann wieder Bürger und Betriebe, damit sie selbst alles erfüllen können. Das ist alles ein Wahnsinn. Damit müssen wir endlich abfahren.“

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