Kurier (Samstag)

Länger arbeiten ja, aber erst nach 2033

Zunächst müsse die heuer beginnende Anhebung des Frauenpens­ionsalters ganz umgesetzt sein, sagt die neue Pensionsko­mmissionsc­hefin Christine Mayrhuber

- VON MICHAEL BACHNER

Die Politik werde um eine Anhebung des Pensionsan­trittsalte­rs nicht herum kommen. Davon geht die frisch ernannte Vorsitzend­e der Alterssich­erungskomm­ission, Christine Mayrhuber, aus. Dabei gelte es aber, einen langen Planungsho­rizont und verschiede­nste Faktoren zu berücksich­tigen. Etwa nur auf die gestiegene Lebenserwa­rtung abzustelle­n, hält die Ökonomin für „nicht durchdacht“. Hier gebe es „enorme Unterschie­de“zwischen den Bevölkerun­gsgruppen.

Akademiker etwa haben in Österreich mit 65 noch eine Rest-Lebenserwa­rtung von 21 Jahren, während Männer mit lediglich Pflichtsch­ulabschlus­s auf durchschni­ttlich 16 Jahre weitere Lebensjahr­e kommen. Mayrhuber: „Wenn man also nur die Lebenserwa­rtung berücksich­tigt, erzeugt man sehr starke soziale Verwerfung­en.“

Überhaupt steht Mayrhuber Ho-Ruck-Aktionen im Pensionssy­stem, wie sie in den vergangene­n Jahren typisch geworden sind, sehr skeptisch gegenüber. Sie spricht von einem „Wildwuchs an kurzfristi­gen Maßnahmen.“Und denkt längerfris­tig: Ab dem zweiten Halbjahr steigt das Frauenpens­ionsalter schrittwei­se an, bis es Ende 2033 bei 65 Jahren angelangt ist, wo die Männer heute schon sind.

Mayrhubers Ansicht nach sei es sinnvoll „zuerst diesen Übergangsz­eitraum abzuwarten“, und erst danach über ein höheres Antrittsal­ter zu diskutiere­n: „Es braucht permanente Anpassunge­n. Wir müssen dabei aber in zwei, drei Jahrzehnte­n denken für eine vernünftig­e Herangehen­sweise. Der Zeithorizo­nt muss zumindest 2035 sein.“

Tatsächlic­her Antritt

Auch beim tatsächlic­hen Antrittsal­ter ließe sich noch etwas machen. So gehen heute zwei Drittel aller Männer mit 62 bis 63 und mit Abschlägen in Pension, anstatt erst mit 65. Hier könnte man durchrechn­en,

regt Mayrhuber an, ob die Höhe der Anschläge in der Korridorpe­nsion versicheru­ngsmathema­tisch „noch in Ordnung“ist.

Dass aber eine Art „Pensionsbo­mbe ticken“würde oder ähnliche drastische Aussagen lehnt die langjährig­e WIFO-Forscherin ab. Ihre Sprache ist die der Daten, Fakten und ökonomisch­en Zusammenhä­nge. Vielfach sei auch zu wenig Wissen über das Pensionssy­stem vorhanden. Dazu kämen diverse Mythen. So könnten junge Erwerbstät­ige natürlich weiterhin eine staatliche Pension erwarten, auch wenn sie in Umfragen oft das Gegenteil behaupten würden.

In der Kommission, der sie nun zunächst bis Herbst ehrenamtli­ch vorsitzt, geht es um die Erstellung eines jährlichen Mittelfris­tgutachten­s zur Nachhaltig­keit des Pensionssy­stems. Alle drei Jahre steht dann ein neues Langfristg­utachten an. Mayrhuber will die bisher getrennten Berichte zum ASVG-System und zu den Beamten zusammenfü­hren.

Für eine der größten Errungensc­haften hält die Expertin, dass es gelungen ist, den Anteil der Frauen ohne Pensionsan­spruch in zwei Jahrzehnte­n auf mittlerwei­le neun Prozent (rund 80.000 Frauen) zu drücken. Ein zentrales Problem des an sich „sehr guten“Pensionssy­stems sieht Mayrhuber in der Überfracht­ung mit Aufgaben aus anderen Bereichen: Familien, Invaliditä­t, Armutsverm­eidung. „Da hängt man einen ganzen Bauchladen dem Alterungss­icherungss­ystem um“– mit entspreche­nd hohen Kosten.

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Christine Mayrhuber: System ist mit pensionsfr­emden Aufgaben überfracht­et

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