Kurier (Samstag)

Die Fotografin, die auch dem Abseitigen ein Denkmal setzte

Gleich drei Ausstellun­gen würdigen das Werk von Elfriede Mejchar

- VON MICHAEL HUBER Elfriede Mejchar mit Kamera, Ende der 1970er-Jahre

Eine herunterge­kommene Fabrikshal­le, durch deren löchriges Dach Licht einfällt. Ein alter Hochofen, der wie eine Ruine einer vergangene­n Zivilisati­on im Wald herumsteht. Das von Wasser und Sonne aufgeplatz­te Holz eines in die Jahre gekommenen Seebads.

Unter dem Schlagwort „Lost Places“sind heute Abertausen­de Fotografie­n solcher Orte im Netz und in Fotobuchse­rien verfügbar, und wer will, kann in Elfriede Mejchar eine der Vorläuferi­nnen dieser „Bewegung“sehen. Doch es wäre nur eine Facette im Werk der Wienerin, die im heurigen Mai 100 Jahre alt geworden wäre und aus diesem Grund mit drei Ausstellun­gen in Krems, Wien und Salzburg gewürdigt wird.

Bilderhung­er

Die Landesgale­rie NÖ in Krems, die am Samstag den Jubiläumsr­eigen offiziell eröffnet, baut auf das Privatarch­iv Mejchars, das diese den Landessamm­lungen 2013, sieben Jahre vor ihrem Tod, überließ. Die Ausstellun­g (bis 16. 2. 2025) gibt einen Überblick über den Bilderhung­er, der die Fotografin umtrieb: 40 Jahre lang arbeitete sie hauptberuf­lich für das Bundesdenk­malamt, um Kunstgegen­stände und Baudenkmäl­er in ganz Österreich zu dokumentie­ren.

Am Rande dieser Tätigkeit schuf sie Bildserien entlang einzelner Motive: Innenräume trister Landhotels, Vogelscheu­chen, Telefonmas­ten oder Plastiksac­kerln, die in der Landschaft hängengebl­ieben waren. Wie der Fotohistor­iker Anton Holzer erklärt, ging Mejchar mit ihren Serienbild­ern durchaus gegen den Trend ihrer Zeit: Der Mainstream versuchte nach dem Diktum des Foto-Papstes Henri Cartier-Bresson den „entscheide­nden Augenblick“ins Bild zu bannen.

Im Kern aber nutzte Mejchar die Fähigkeit der Fotografie aus, hergebrach­te Kategorien einzuebnen: Denkmäler, die vom Amt als solche definiert worden waren, erschienen in ihren Bildern ebenso denkwürdig und monumental wie unedle Dinge, denen sie ihre fotografis­che Behandlung – mit Auswahl des Ausschnitt­s, des Lichts, der Inszenieru­ng oft alles andere als „objektiv“– angedeihen ließ. Wie die Kuratorin der Kremser Schau, Alexandra Schantl, betont, führt eine Grenzziehu­ng zwischen „angewandte­r“Dokumentar­fotografie und Kunst bei Mejchar nirgendwoh­in.

Gleichwohl streckte die Fotografin insbesonde­re nach ihrer Pensionier­ung die Fühler verstärkt nach der Kunst aus: Collagen, Doppelbeli­chtungen, Verfremdun­gen führten zu eigenen Bildserien. Manche – etwa Überblendu­ngen von 1989 – wirken gar verspielt und dem Zeitgeist verhaftet. Andere – etwa Bilder absterbend­er Blüten – machen das Vergehen der Zeit selbst zum Thema und wirken gerade dabei zeitlos.

Gerade weil viele Verfremdun­gstechnike­n inzwischen von der Digitalkul­tur absorbiert wurden, ist es wichtig zu betonen, dass Mejchar durch und durch eine Person des analogen Zeitalters war. Ein Katalogess­ay betont ihre Meistersch­aft in technische­n Dingen, einige Geräte, als Teil des Nachlasses erhalten, wurden in die Schau eingebaut.

Während die Landessamm­lungen dies versuchen, konzentrie­rt sich das Wien Museum auf Fotos der Peripherie, das Salzburger Museum der Moderne stärker auf Porträts. Alle Institutio­nen publiziere­n den Katalog gemeinsam. So wird das „Projekt Mejchar“auch zu einem Statement zu der Frage, ob Österreich ein Fotomuseum braucht: Wie sich zeigt, ist ein solches am besten in einer Kooperatio­n verschiede­ner Häuser zu realisiere­n.

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