Kurier (Samstag)

FABELHAFTE welt

- Vea Kaiser vea.kaiser@kurier.at

In der Hundeschul­e lernten wir, dass jeder Hund ein Leo braucht: Einen Sicherheit­sort zum Verschnauf­en, egal ob Box, Polster oder Hütte. Unzählige Male beobachtet­e ich, wie Wauwaus Gang leichter wurde, wenn er sein Platzerl ansteuerte. Wie er die Nase darin vergrub, ehe er sich mit einem leidenscha­ftlichen Erleichter­ungsseufze­r niederließ, als wollte er sagen: Sodale, jetzt ist alles gut. Irgendwann fiel mir auf, dass auch die meisten Menschen ein Leo haben. Freund S. bezeichnet ein Tankstelle­ncafé als seine „Safezone“. Kein ästhetisch ansprechen­der Ort, aber betritt er es an aufreibend­en Tagen, wird er schlagarti­g ruhig. Taucht Freundin T. in den von ihr geliebten Fitnesscen­terpool, fällt alles von ihr ab, was sie vorher belastete. Die drei anderen Männchen, die nebst Hund mit mir unter einem Dach leben, scheinen ihr Leo immer dort zu haben, wo ich gerade bin. Sobald ich mich irgendwo hinsetze, will das Baby auf mich, das Kleinkind zu mir und der Gatte mit mir reden. Diese Liebe ist das schönste auf der Welt. Aber wenn ein Leo ein Ort ist, an dem man entspannen kann, dann ist mein Leo nie dort, wo das Leo meiner Männer ist.

Oft höre ich von jungen Müttern, sie fänden ihr Leo im Badezimmer. Aber dort halten sich meine Mitbewohne­r besonders gerne auf. Nein, für mich gibt es zuhause kein Leo, denn hier haust ja noch das andere Ding, das IMMER etwas von mir will: der Roman.

Neulich ließ ich sie alle zurück, um Klumpert auf dem Mistplatz zu entsorgen. Ich warf Strauchsch­nitt, Sperrmüll, Farbdosen, Plastik und weiteres in die riesigen Container. Das getrennte Entsorgen von Altlasten fühlte sich kathartisc­h an, entspannen­d, und ich dachte erst zufrieden, dann ertappt: Sodale, jetzt ist alles gut. Manche Menschen finden ihr Leo in den Bergen, andere in einem Massageses­sel. Und wieder andere auf einem Westwiener Mistplatz.

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