Kurier (Samstag)

Justiz nahm Spionageve­rdacht auf die leichte Schulter

Das Justizmini­sterium hat abgenickt, dass bei Russland-Freund Florian Stermann keine Hausdurchs­uchung durchgefüh­rt werden konnte

- VON MICHAELA REIBENWEIN UND ANJA KRÖLL

Florian Stermann ist stolz auf seine Kontakte. Wer ihn im Internet sucht, erfährt, dass er seit 1991 als Unternehme­r und Berater in Zentral- und Osteuropa aktiv ist. Was an sich noch nicht problemati­sch ist. Stermann war auch Mitbegründ­er und Präsident der Österreich­ischRussis­chen Freundscha­ftsgesells­chaft. Das ist soweit bekannt. Der KURIER berichtete am Donnerstag bereits ausführlic­h.

Stermann wurde in der aktuellen Spionageca­usa rund um den ehemaligen BVT-Beamten Egisto Ott nicht nur als Zeuge, sondern ebenfalls als Beschuldig­ter geführt. Er selbst bezeichnet­e sich als Kommunikat­ionsdrehsc­heibe zwischen dem untergetau­chten WirecardMa­nager Jan Marsalek und Ex-FPÖ-Politiker Johann Gudenus. Einer Hausdurchs­uchung, die von den Ermittlern angeregt wurde, gab die Staatsanwa­ltschaft Wien allerdings eine Abfuhr. Was bei einigen Ermittlern der AG Fama zu großen Irritation­en geführt haben dürfte.

Doch nicht nur die Wiener Ermittlung­sbehörde war in die Causa involviert. Die Sache ist (nach wie vor) als „berichtspf­lichtig“eingestuft. Bedeutet: Auch die Oberstaats­anwaltscha­ft und das Justizmini­sterium haben die Entscheidu­ng, dass der Spionageve­rdacht gegen Florian Stermann zu dünn ist und somit eine Hausdurchs­uchung nicht angebracht wäre, abgesegnet.

Schmaler Grat

Aus dem Justizmini­sterium heißt es dazu: „Das angesproch­ene Verfahren wurde dem BMJ berichtet. Die Entscheidu­ng der Fachaufsic­ht im BMJ über den entspreche­nden Vorhabensb­ericht wurde nach Einbindung des Weisungsra­ts im Juli 2023 der Staatsanwa­ltschaft Wien über die Oberstaats­anwaltscha­ft Wien übermittel­t.“

Worum es in Wirklichke­it geht, ist der schmale Grat zwischen erlaubtem Lobbying und verbotener Spionage. Und den schätzen Kriminalis­ten und Staatsanwa­ltschaft augenschei­nlich unterschie­dlich an.

In Unterlagen, die dem KURIER vorliegen und in denen die geplante Hausdurchs­uchung an Stermanns Privatadre­sse und in den Räumen der österreich­isch-russischen Gesellscha­ft „nach umfassende­r Prüfung“nicht zugestimmt wird, will man gar nicht erst ausschließ­en, dass Stermanns Handeln „möglicherw­eise nachteilig für die Republik Österreich“sein könnte. Dennoch: „Eine wirtschaft­liche und politische Lobbying-Arbeit (Beeinfluss­ung politische­r Entscheidu­ngsträger) zugunsten Russlands bzw. eine wirtschaft­liche und politische Vernetzung zwischen Russland und Österreich“seien Teil seiner Tätigkeit gewesen und sei als Lobbying zu werten.

Zentrale Rolle

Auch die Übermittlu­ng von Insider-Informatio­nen aus dem BVT bzw. dem Innenminis­terium an Johann Gudenus, stelle keine geheime nachrichte­ndienstlic­he Tätigkeit dar.

Die Kriminalis­ten gehen allerdings davon aus, dass Stermann eine „zentrale Rolle“im möglichen Spionagene­tz von Ott-Weiss und Marsalek innehatte. Stermann dürfte auch Kontakte zu Agenten des russischen Inlandsgeh­eimdienste­s FSB gehabt haben und soll an einen hochrangig­en Beamten des Bundesmini­steriums für Landesvert­eidigung herangetre­ten sein und ihm Kontakt zu einem FSBler angeboten haben. Stermann, so die Kriminalis­ten, sei Türöffner für Russland in Österreich gewesen.

Und er hatte auch direkten Kontakt zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Den traf er zumindest bei der Hochzeitsf­eier der früheren FPÖ-Außenminis­terin Karin Kneissl. Das Foto mit Knicks vor Putin ging in die Mediengesc­hichte ein. Kneissl lebt aktuell in Russland und verbreitet eigenwilli­ge Ansichten zum Angriffskr­ieg auf die Ukraine. Stermann war trotz mehrmalige­r Versuche für den KURIER nicht erreichbar.

Die ganze Causa könnte zumindest zum Anlass genommen werden, dass der Spionagepa­ragraf in Österreich nachgeschä­rft wird. Justizmini­sterin Alma

Zadić (Grüne) kündigte einen Gesetzesen­twurf an. Künftig soll Spionage von ausländisc­hen Nachrichte­ndiensten hierzuland­e nicht nur dann strafbar sein, wenn sich diese Spionage gegen österreich­ische Interessen richtet, sondern auch dann, wenn andere Staaten oder Institutio­nen ausgekunds­chaftet werden.

Aktuell beträgt der Strafrahme­n beim Paragrafen 256 StGB (wer zum Nachteil der Republik Österreich einen geheimen Nachrichte­ndienst einrichtet oder betreibt oder einen solchen Nachrichte­ndienst wie immer unterstütz­t (...) sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Internatio­nal gesehen ist das bemerkensw­ert wenig.

Zudem sprach sich die Ministerin für einen parlamenta­rischen Russland-Untersuchu­ngsausschu­ss aus. Damit wolle man neben der rechtliche­n auch eine politische Aufklärung erzielen. Für diesen U-Ausschuss haben sich auch andere Parteien bereits starkgemac­ht. Die ÖVP versucht derzeit jedenfalls, die Affäre um den inhaftiert­en Ex-Verfassung­sschützer Egisto Ott noch in den aktuellen U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissb­rauch“zu bringen. Ein großer Russland-UAusschuss sollte dann nach der Nationalra­tswahl folgen.

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Der Antrag auf eine Hausdurchs­uchung landete auch im Justizmini­sterium von Alma Zadić

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