Justiz nahm Spionageverdacht auf die leichte Schulter
Das Justizministerium hat abgenickt, dass bei Russland-Freund Florian Stermann keine Hausdurchsuchung durchgeführt werden konnte
Florian Stermann ist stolz auf seine Kontakte. Wer ihn im Internet sucht, erfährt, dass er seit 1991 als Unternehmer und Berater in Zentral- und Osteuropa aktiv ist. Was an sich noch nicht problematisch ist. Stermann war auch Mitbegründer und Präsident der ÖsterreichischRussischen Freundschaftsgesellschaft. Das ist soweit bekannt. Der KURIER berichtete am Donnerstag bereits ausführlich.
Stermann wurde in der aktuellen Spionagecausa rund um den ehemaligen BVT-Beamten Egisto Ott nicht nur als Zeuge, sondern ebenfalls als Beschuldigter geführt. Er selbst bezeichnete sich als Kommunikationsdrehscheibe zwischen dem untergetauchten WirecardManager Jan Marsalek und Ex-FPÖ-Politiker Johann Gudenus. Einer Hausdurchsuchung, die von den Ermittlern angeregt wurde, gab die Staatsanwaltschaft Wien allerdings eine Abfuhr. Was bei einigen Ermittlern der AG Fama zu großen Irritationen geführt haben dürfte.
Doch nicht nur die Wiener Ermittlungsbehörde war in die Causa involviert. Die Sache ist (nach wie vor) als „berichtspflichtig“eingestuft. Bedeutet: Auch die Oberstaatsanwaltschaft und das Justizministerium haben die Entscheidung, dass der Spionageverdacht gegen Florian Stermann zu dünn ist und somit eine Hausdurchsuchung nicht angebracht wäre, abgesegnet.
Schmaler Grat
Aus dem Justizministerium heißt es dazu: „Das angesprochene Verfahren wurde dem BMJ berichtet. Die Entscheidung der Fachaufsicht im BMJ über den entsprechenden Vorhabensbericht wurde nach Einbindung des Weisungsrats im Juli 2023 der Staatsanwaltschaft Wien über die Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt.“
Worum es in Wirklichkeit geht, ist der schmale Grat zwischen erlaubtem Lobbying und verbotener Spionage. Und den schätzen Kriminalisten und Staatsanwaltschaft augenscheinlich unterschiedlich an.
In Unterlagen, die dem KURIER vorliegen und in denen die geplante Hausdurchsuchung an Stermanns Privatadresse und in den Räumen der österreichisch-russischen Gesellschaft „nach umfassender Prüfung“nicht zugestimmt wird, will man gar nicht erst ausschließen, dass Stermanns Handeln „möglicherweise nachteilig für die Republik Österreich“sein könnte. Dennoch: „Eine wirtschaftliche und politische Lobbying-Arbeit (Beeinflussung politischer Entscheidungsträger) zugunsten Russlands bzw. eine wirtschaftliche und politische Vernetzung zwischen Russland und Österreich“seien Teil seiner Tätigkeit gewesen und sei als Lobbying zu werten.
Zentrale Rolle
Auch die Übermittlung von Insider-Informationen aus dem BVT bzw. dem Innenministerium an Johann Gudenus, stelle keine geheime nachrichtendienstliche Tätigkeit dar.
Die Kriminalisten gehen allerdings davon aus, dass Stermann eine „zentrale Rolle“im möglichen Spionagenetz von Ott-Weiss und Marsalek innehatte. Stermann dürfte auch Kontakte zu Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gehabt haben und soll an einen hochrangigen Beamten des Bundesministeriums für Landesverteidigung herangetreten sein und ihm Kontakt zu einem FSBler angeboten haben. Stermann, so die Kriminalisten, sei Türöffner für Russland in Österreich gewesen.
Und er hatte auch direkten Kontakt zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Den traf er zumindest bei der Hochzeitsfeier der früheren FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl. Das Foto mit Knicks vor Putin ging in die Mediengeschichte ein. Kneissl lebt aktuell in Russland und verbreitet eigenwillige Ansichten zum Angriffskrieg auf die Ukraine. Stermann war trotz mehrmaliger Versuche für den KURIER nicht erreichbar.
Die ganze Causa könnte zumindest zum Anlass genommen werden, dass der Spionageparagraf in Österreich nachgeschärft wird. Justizministerin Alma
Zadić (Grüne) kündigte einen Gesetzesentwurf an. Künftig soll Spionage von ausländischen Nachrichtendiensten hierzulande nicht nur dann strafbar sein, wenn sich diese Spionage gegen österreichische Interessen richtet, sondern auch dann, wenn andere Staaten oder Institutionen ausgekundschaftet werden.
Aktuell beträgt der Strafrahmen beim Paragrafen 256 StGB (wer zum Nachteil der Republik Österreich einen geheimen Nachrichtendienst einrichtet oder betreibt oder einen solchen Nachrichtendienst wie immer unterstützt (...) sechs Monate bis fünf Jahre Haft. International gesehen ist das bemerkenswert wenig.
Zudem sprach sich die Ministerin für einen parlamentarischen Russland-Untersuchungsausschuss aus. Damit wolle man neben der rechtlichen auch eine politische Aufklärung erzielen. Für diesen U-Ausschuss haben sich auch andere Parteien bereits starkgemacht. Die ÖVP versucht derzeit jedenfalls, die Affäre um den inhaftierten Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott noch in den aktuellen U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“zu bringen. Ein großer Russland-UAusschuss sollte dann nach der Nationalratswahl folgen.