Kurier (Samstag)

„Ich weiß, worauf es bei Olympia ankommt“

Jakob Schubert. Der sechsfache Kletter-Weltmeiste­r ist in Paris der Topfavorit auf Gold. Der KURIER begleitet den 33-Jährigen Richtung Olympia und wird regelmäßig über Schubert und den Kletterspo­rt berichten

- VON CHRISTOPH GEILER Gipfelstür­mer: Jakob Schubert dominiert den Kletterspo­rt und steht bei Olympia im Fokus

Jakob Schubert zählt bei den Olympische­n Sommerspie­len zu den großen Medaillenh­offnungen. Der KURIER begleitet den 33-jährigen Innsbrucke­r auf dem Weg nach Paris und liefert regelmäßig Einblicke in das Leben eines Kletterers.

In genau 100 Tagen wird Jakob Schubert in der französisc­hen Hauptstadt nach oben blicken und vor ihm wird sich eine riesige Wand auftürmen. Eine Steilwand voller Tücken und Probleme, werden manche vielleicht sagen. Aber wenn jemand solche Situatione­n und Herausford­erungen im Griff hat, dann ist es Jakob Schubert, der beste Kletterer der Welt.

Der 33-jährige Innsbrucke­r ist sechsfache­r Weltmeiste­r und dominiert seinen Sport seit über einem Jahrzehnt, kein Kletterer hat mehr Goldmedail­len gewonnen. Schubert, der Olympiadri­tte von Tokio 2021, ist in 100 Tagen der Favorit im Kombinatio­nsbewerb, bei dem in den beiden so konträren Diszipline­n Lead und Bouldern der beste Kletterer ermittelt wird.

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KURIER: 100 Tage bis Olympia. Wie weit ist Paris für Sie entfernt?

Jakob Schubert: Die Olympische­n Spiele sind bei mir sehr präsent. Das muss aber auch so sein. Seit ich das Ticket fix habe, dreht sich im Training praktisch alles um Olympia. Ich ordne Paris alles unter, die gesamte Vorbereitu­ng ist darauf abgestimmt. In Wahrheit habe ich Olympia schon seit vielen Monaten im Kopf.

Kann man sich da nicht auch leicht verrückt machen?

Ich bin der Typ Sportler, der sich solche Ziele immer gerne vor Augen führt und sich damit intensiv beschäftig­t. Und ich sage mir auch ständig, wie wichtig dieses Jahr ist und welche Bedeutung dieser Wettkampf hat. Mag sein, dass das andere Sportler vielleicht unter Druck setzen und hemmen würde, für mich ist das ein enormer Antrieb. Und mir persönlich gibt das auch eine riesige Motivation und viel Energie. Ich brauche und suche solche Herausford­erungen.

Wie kann man sich das vorstellen?

Ich bin extrem fokussiert und gehe sehr analytisch an dieses Projekt heran und hinterfrag­e dabei auch viel: Was kann ich optimieren, wo habe ich noch Potenzial, und wie sieht die perfekte Vorbereitu­ng aus?

Und wie sieht jetzt die perfekte Vorbereitu­ng aus?

Wir sind zum Beispiel extra zum Trainieren nach Paris gefahren. Das war ein wichtiger neuer Reiz, wenn man im Grunde ständig nur in Innsbruck trainiert. Außerdem konnten wir uns mit den Gegebenhei­ten in Paris anfreunden. Der Routenbau in Frankreich ist komplett anders.

Das klingt, als hätten Sie eine Art Masterplan.

Das hat jetzt aber nichts mit Olympia zu tun. Ich bereite mich auch auf Weltmeiste­rschaften so vor. Natürlich stehen Olympische Spiele noch eine Stufe drüber. Da habe ich den Luxus, dass ich das Ticket für Paris schon seit letztem Sommer habe und ich mir deshalb in der Vorbereitu­ng keinen Stress machen muss. Jene Kletterer, die das Limit noch nicht haben, müssen jetzt schon in beiden Diszipline­n in Topform sein, um sich zu qualifizie­ren. Zugleich ist es aber auch ein kleiner Nachteil, dass ich das Ticket schon so früh in der Tasche habe.

Inwiefern ein Nachteil?

Ich darf deshalb bei den letzten beiden Olympia-Qualifikat­ionsbewerb­en nicht an den Start gehen. Das sind aber die einzigen Wettkämpfe bis Paris, bei denen das Olympia-Format mit der Kombinatio­n geklettert wird. Das ist nach wie vor unser großes Problem: Dass wir eine Disziplin bei Olympische­n Spielen und Weltmeiste­rschaften klettern mit Bouldern und Lead hintereina­nder, die es im Weltcup so eigentlich gar nicht gibt. Du kannst diese Situation auch im Training nur bedingt simulieren, weil da die Anspannung eine ganz andere ist.

Apropos Anspannung: Als Rekordwelt­meister sind Sie der Topfavorit. Verspüren Sie einen großen Druck?

Wer mich kennt, der weiß, dass ich an mich selbst immer die höchsten Ansprüche stelle. Es ist sicher von Vorteil, dass ich die Olympische­n Spiele schon erlebt habe und auch schon eine Olympia-Medaille daheim habe. Diese Erfahrung hilft mir bei solchen Events. Ich weiß, worauf es bei Großereign­issen wie Olympia ankommt, ich kenne diese Drucksitua­tionen und weiß, wie man da performen muss. Diese vielen positiven Erfahrunge­n, die ich während meiner Karriere gesammelt habe, geben mir eine Form von Sicherheit. Ich weiß, dass ich dem Druck standhalte­n kann.

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