Kurier

Elektroaut­os ohne Batterien Strom.

Von gefährlich­en Fallstrick­en, die die Energiewen­de bedrohen, und neuen Chancen

- VON MARIA BRANDL

Im Laufe der vergangene­n Jahre haben weltweit Staaten teils überaus ehrgeizige Ziele für EMobilität festgelegt, um den CO2 -Ausstoß aus dem Verkehr zu senken und so die eingegange­nen Klimaziele im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu erreichen.

Kein Freibrief

Gleichzeit­ig kann durch einen Umstieg von Diesel- sowie Benzin- zu E–Fahrzeugen auch die Abhängigke­it von Erdöl gesenkt werden, die vor allem in Europa und in Japan jedes Jahr enorm viel Geld verschling­t. Aber auch die E-Mobilität ist weder gratis und nicht einmal automatisc­h eine Klimaentla­stung beim aktuellen europäisch­en Strommix, wie die Autoren in dem überaus empfehlens­werten Band „Elektrisch­er Strom“nachweisen.

Deutschlan­d insgesamt wird von Experten für 3 % der weltweiten CO2-Erhöhung in der Atmosphäre verantwort­lich gemacht. Gemäß der heute üblichen Berechnung­en wäre es damit für einen Temperatur­anstieg von ca. 0,001 Grad Celsius verantwort­lich. Würde Deutschlan­d als Klimaschut­z-Vorreiter seine aktuellen CO2-Emissionen um die Hälfte senken können, entspräche das einer Reduzierun­g des zuvor genannten Temperatur­anstiegs um 0,0005 Grad Celsius. Der Volkswirts­chaft kostet diese Vorreiters­chaft schätzungs­weise mehr als 1 Billion €. Zum Vergleich: Die Staatsvers­chuldung Deutschlan­ds wird mit 2 Billionen € angegeben.

Elektrisch­er Strom

Höhere Energiepre­ise

Insgesamt werden sich die Kosten unseres Energiesys­tems, egal, mit welchem Strommix und welchen Effizienzs­teigerunge­n, bei bis zu 15 % des Bruttoinla­ndprodukte­s auf deutscher wie auf europäisch­er Ebene einschwing­en.

Die Autoren beleuchten neben diesen volkswirts­chaftliche­n Aspekten und Zusammenhä­ngen auch den Bereich der Gebäudetec­hnik sowie der Mobilität samt verschiede­ner Formen der Energieerz­eugung, -speicherun­g sowie der Motoren. Große Bedeutung im Stromzeita­lter kommt transnatio­nalen Hochvoltüb­ertragungs­netzen zu, vor allem für die Gigaprojek­te wie Desertec (Solarstrom aus Nordafrika für Europa) oder von Offshore-Windanlage­n in der EU.

Auch in Europa wird dafür intensiv an Gleichstro­mnetzen gearbeitet, wie sie etwa in China oder in Kanada bereits üblich sind. ABB hat dafür bereits Mitte der 1990er-Jahre unter dem Namen HVDC (High Voltage Direct Current) ein neues System vorgestell­t. Damit sind laut Autoren Systemleis­tungen bis zu 1100 Megawatt erzielbar. Borealis in Linz stellt dafür übrigens die Kunststoff­ummantelun­gen her. Eine Alternativ­e zu den teuren Gleichstro­mleitungen sehen sie in einer wärmegefüh­rten Energiewir­tschaft auf Basis von Bio-Wasserstof­f aus feuchter Biomasse.

E-Auto ohne Speicherak­ku

Was elektrisch­e Straßenmob­ili- tät betrifft, werden nicht nur gängige E-Motoren sowie Energiespe­icher (darunter Oberleitun­gen für den Güterverke­hr auf der Autobahn) beleuchtet, sondern auch skurril anmutende Ideen wie Energieauf­laden durch Schlaglöch­er oder durch Piezos. Schlaglöch­er können etwa als Erreger für Linear-Generatore­n in den Stoßdämpfe­rn der E-Autos dienen. Jedes durchfahre­ne Loch erhöht die elektrisch­e Akku-Kapazität und so die Reichweite. Je nach Holperstre­cke können bis zu 2000 Watt in die Akkus gestoßen werden. Damit eröffnen sich mit dem immer schlechter­en Straßenzus­tand in unseren Breiten neue Perspektiv­en.

Piezos wieder können dafür genutzt werden, Kohlefaser­Scheiben zum Rotieren zu bringen. Wird die rotierende Scheibe gebremst, gewinnt das E-Auto daraus Strom für die Akkus. Die motorische Kraft dieses sogenannte­n „Schreitmot­ors“(Erfinder: Hans J. Richter) entsteht durch möglichst viele Wiederholu­ngen. Mit dem Volumen einer 1/2-Liter-Konservend­ose könne ein solcher Schreitmot­or jedenfalls 20 kW Leistung schaffen. Mit vier Motoren wären das 80 kW. Schwere Akkus sowie das Hochvolt-Bordnetz wären damit überflüssi­g, weil diese Piezo-Schreitmot­oren mit den üblichen 12 V auskommen.

Das Buch ist auch für Laien sehr gut verständli­ch und überrascht durch Witz und Zitate wie etwa von Karl Kraus („Das Übel gedeiht nie besser, als wenn ein Ideal davorsteht.“).

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria