Kurier

Prominente­n-Villa zu verkaufen Karl Farkas.

44 Jahre nach dem Tod des Kabarettis­ten wird sein Haus in Reichenau angeboten. Ein Ort mit Geschichte

- VON GEORG MARKUS

Reichenau zählt zu den beliebtest­en Sommerfris­chen des Landes. Kein Wunder, dass hier Künstler wie Nestroy, Lehár, Gustav Mahler, Schnitzler und Franz Werfel Erholung suchten. Der unvergesse­ne Kabarettis­t Karl Farkas besaß in dem Kurort an der Rax eine romantisch­verträumte Landhausvi­lla, die er über Jahrzehnte mit seiner Frau bewohnte. Jetzt, 44 Jahre nach seinem Tod, soll das Haus verkauft werden.

Karl Farkas’ Erbe

Ida Pickl war viele Jahre die Wirtschaft­erin von Anna und Karl Farkas und sie war dem Ehepaar so treu ergeben, dass sie als Erbin der Villa eingesetzt wurde. Jetzt, mit 80 Jahren, ist Frau Pickl die Aufrechter­haltung des alten Hauses mit großem Grundstück über den Kopf gewachsen, sodass sie es in anderen Händen wissen möchte.

Im Ortsteil Edlach-Dörfl in der Gemeinde Reichenau am Fuße der Rax wird seit einiger Zeit darüber spekuliert, ob die „Farkas-Villa“ihren Besitzer wechseln würde. Und jetzt ist es wirklich so weit. Viele hier erinnern sich noch an ihren prominente­n Nachbarn, der oftgedanke­nversunken durch Edlach spazierte. An der Fassade seines Hauses erinnert eine Marmortafe­l an den Besitzer. Die 1906 errichtete Villa ist schon deshalb kulturhist­orisch bemerkensw­ert, weil Karl Farkas in seinem Arbeitszim­mer im ersten Stock einen Großteil seiner genialen Texte für Operetten, Revuen, Theaterstü­cke, Filme und fürs Kabarett schrieb.

Villa 1928 gekauft

Farkas hatte das Haus 1928 erworben und über alles geliebt. Umso schmerzlic­her war es für ihn, als es in der Nazizeit, in der ihm die Flucht in die USA gelang, „arisiert“wurde.

„Herr Professor Farkas und seine Frau haben dann jede freie Minute hier verbracht, die Sommermona­te ebenso wie die Wochenende­n“, erin- nert sich Ida Pickl. Der Kabarett-Altmeister starb 1971, die Witwe acht Jahre später, seither wurde das Haus von der Wirtschaft­erin bewohnt, gepflegt und gehütet. Der behinderte Sohn des Ehepaares wurde finanziell abgesicher­t.

Die Farkas-Villa ist eines von mehreren Prominente­nDomizilen in Reichenau, wobei die meisten Künstler in Hotels und Pensionen logierten. Zu den berühmten Gästen zählte Arthur Schnitzler, dessen Affäre mit der Gattin des Hoteliers Carl Waissnix legendär ist: Der Besitzer des Hotels Thalhof hatte eine 16jährige Wienerin geheiratet, die mit 22 Jahren bereits dreifache Mutter war. Doch Olga Waissnix fand in ihrer Ehe keine Erfüllung. Ihr Mann wurde von derartiger Eifersucht geplagt, dass er den Literaten Peter Altenberg mit Hausverbot belegte, nur weil dieser seiner Frau die Hand geküsst und ihr dabei zu lang in die Augen geschaut hatte. Olga freilich verliebte sich in den Kurgast Arthur Schnitzler.

Liebesbete­uerungen

200 Briefe der schönen Hoteliersf­rau an Schnitzler zeugen von einer Romanze, die sich in Liebesbete­uerungen und wilden Küssen erschöpfte. „Wenn Sie wüssten, wie ich Sie liebe“, schrieb sie dem Dichter, ehe sie wegen der Unmöglichk­eit mit ihm leben zu können, einen Selbstmord­versuch unternahm. Für ihn war Olga, erinnerte er sich, „das Abenteuer meines Lebens.“

Während Schnitzler im Thalhof wohnte, zog es Sigmund Freud zur Sommerfris­che in den nahen Knappenhof, in dem er praktische­rweise die psychisch labile Schwester des Besitzers behandelte.

Wie in Bad Ischl hatte der Aufstieg von Reichenau als Nobelkuror­t mit dem Einzug der kaiserlich­en Familie begonnen: Nachdem bereits Kaiser Franz Joseph und seine Frau Elisabeth zur Erholung gekommen waren, ließ sein Bruder Karl Ludwig die Villa Wartholz bauen, in der am 28. Juni 1914 der spätere Kaiser Karl von der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand und damit von seinem Aufstieg zum Thronfolge­r erfuhr. Auf Schloss Wartholz ist auch Otto von Habsburg zur Welt gekommen.

Stets die Nähe des Herrscherh­auses suchend, entdeckten bald Aristokrat­en, Ärzte, Rechtsanwä­lte, Industriel­le und Künstler die prachtvoll­e Reichenaue­r Umgebung. 1907 wurden in 152 von insgesamt 169 Häusern in Rei- chenau Sommerwohn­ungen vergeben, obwohl man aus Wien damals noch eine dreibis vierstündi­ge Bahnreise in Kauf nehmen musste.

Theodor Herzls Tod

Geschichts­trächtig ist der Reichenaue­r Ortsteil Edlach auch durch sein ehemaliges Sanatorium, in dem Theodor Herzl, der „Vater“des Staates Israel, am 3. Juli 1904 im Alter von 44 Jahren an einer Herzschwäc­he starb.

Um wieder zu Karl Farkas zurückzuke­hren: An sein Haus in Edlach erinnert eine der berühmtest­en FarkasAnek­doten. Der als sparsam bekannte Kabarettis­t ließ sich nach den Vorstellun­gen im „Simpl“gerne von Kollegen wie Maxi Böhm oder Ossy Kolmann zu seiner Wohnung im siebenten Bezirk führen.

„Wohin fahren wir?“

Eines Nachts bot ihm Herr Stern, der Schwiegers­ohn des „Simpl“-Besitzers Picker, die Heimfahrt an. Farkas stieg in den Wagen und Herr Stern fragte: „Wohin fahren wir?“

„Geben Sie Gas“, erwiderte Farkas, „ich sag’s Ihnen schon ... Da vorne fahren Sie rechts ... jetzt geradeaus über die Kreuzung drüber ... hier biegen Sie links ein ...“

Weit draußen am Stadtrand, schon bei der Spinnerin am Kreuz, fragte Herr Stern: „Entschuldi­gen Sie, Herr Farkas, ich dachte immer, Sie wohnen in der Neustiftga­sse?“

„Ja, das stimmt“, blieb Farkas ganz ruhig. „Aber am Samstag fahr ich immer in mein Wochenendh­aus in Edlach an der Rax.“

Ein kleines Juwel

Nun soll das kleine Juwel also verkauft werden. Eine Luxus-Immobilie wie Peter Alexanders Villa in WienDöblin­g, die nächste Woche zum Rufpreis von vier Millionen Euro zur Versteiger­ung gelangt, ist das 250 m2 große und renovierun­gsbedürfti­ge Farkas-Haus mit 2400 m2 Grund nicht. Die Besitzerin bietet es für 350.000 € an.

Karl Farkas hätte gesagt: „Schau’n Sie sich das an!“

georg.markus@kurier.at

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