Eine vollendete Dienerin an der Kunst
Kritik. Tschaikowskys „Eugen Onegin“mit Anna Netrebko und großartigen Mitstreitern am Ring
Sie ist und bleibt in ihrem Fach die Größte. Weil sie Größe nicht spielen muss, sondern Größe besitzt. Die Rede ist von Anna Netrebko, die in der aktuellen Spielserie (Reprisen bis 5. November) von Peter Tschaikowskys „Eugen Onegin“an der Staatsoper endlich wieder als unglückliche Tatjana zu erleben ist.
Aber was heißt bei Netrebko schon erleben? Die Sopranistin singt und spielt diese Tatjana nicht, sie für ein paar Stunden die vom „Titelhelden“erst zurückgewiesene, dann vergeblich begehrte Frau. Netrebkos so herrlicher, samtener, in den Höhen wie Tiefen makelloser Sopran (mühelos alle Register- übergänge) glänzt in jeder Szene; darstellerisch ist die Künstlerin auch in Falk Richters Schneefall-Inszenierung ohnehin eine Klasse für sich.
Aber Netrebko spielt sich nie in den Vordergrund, sie dient immer der Sache und damit auch ihren exzellenten Mitstreitern. So darf Christopher Maltman als blasierter Dandy Onegin vokal brillieren. Maltmans stets kultivierter, markanter, dabei warm timbrierter Bariton ist ideal für diese Partie. Vor allem in der Duell-Szene mit Lenski kann der Brite auch seine schauspielerischen Qualitäten gut unter Beweis stellen.
Ähnlich intensiv agiert Dmitry Korchak als getriebe- ner Lenski. Der Tenor begeistert nicht nur in seiner berühmten Arie „Kuda, kuda?“, sondern ist ein stimmlich höhensicherer, feinsinniger, lyrischer Anti-Held. Dass die Rolle des Fürsten Gremin mit dem längst legendären Ferruccio Furlanetto besetzt ist, darf als purer Luxus gelten.
Das übrige Ensemble (etwa Zoryana Kushpler, Monica Bohinec, Pavel Kolgatin) fügt sich solide ein. Also eine Sternstunde? Leider nicht ganz. Denn das seltsam mäßig motivierte Orchester unter der Leitung von Patrick Lange kommt über eine biedere Begleitfunktion viel zu selten hinaus.–