Kurier

Kauflust arabischer Investoren am Balkan

Dollarrege­n. Riesige Siedlungsp­rojekte

- AUS ISTANBUL HANS JUNGBLUTH

Die Kauflust arabischer Investoren in Bosnien-Herzegowin­a ist nicht zu bremsen: Nach dem schon milliarden­teure Siedlungsp­rojekte in den vergangene­n Monaten für Verunsiche­rung im Lande gesorgt hatten, wurde Freitag ein neues Projekt der Investoren­gruppe Green Valley Real Estate aus Abu Dhabi bekannt. Sie will über den Hügeln von Sarajewo eine 73 Hektar große Luxus- Siedlung bauen. Die Freude über den Geldsegen von der arabischen Halbinsel ist im Land eher verhalten. Die moderaten bosnischen Muslime fürchten eine Radikalisi­erung. Es gibt aber auch erste Hinweise für die Motive der Scheichs für die massive Investitio­nstätigkei­t im Vorhof zur EU: Vorsorge für die Zeit nach dem großen Ölboom.

Mohammed Javed hat viel durchgemac­ht in den vergangene­n Monaten – und er will auch jetzt nicht aufgeben. Nach der Flucht aus seiner Heimat Pakistan hat sich Javed in die Türkei durchgesch­lagen und sein Leben den Menschenhä­ndlern anvertraut, die im Vorjahr Hunderttau­sende Flüchtling­e über die Ägäis nach Griechenla­nd gebracht hatten. Kaum auf Lesbos angekommen, wurde Javed am Montag als einer der ersten Flüchtling­e aus Griechenla­nd wieder in die Türkei gebracht und in der Hafenstadt Dikili von türkischen Polizisten in Empfang genommen. Dennoch will Javed auch nach der Zwangsrück­kehr alles daran setzen, nach Europa zu kommen. Er werde es wieder versuchen, sagte er der Nachrichte­nagentur Anado

lu. „Ich will nicht zurück nach Hause.“

Javed war einer von mehr als 200 Flüchtling­en, vorwiegend aus Pakistan, Bangladesc­h und anderen asiatische­n Ländern, die am Montag von Lesbos und der Insel Chios in die Türkei zurückgebr­acht wurden. Begleitet von einem Großaufgeb­ot von Beamten der europäisch­en Grenzschut­zagentur Frontex, Küstenwach­schiffen und Hubschraub­ern überquerte­n angemietet­e Fährschiff­e die kurze Strecke, die Javed und viele andere erst kürzlich in entgegenge­setzter Richtung bewältigt hatten.

Übergangsl­ager

In Dikili wurden die Flüchtling­e noch am Hafenkai registrier­t und ärztlich untersucht. Vorerst sollen NichtSyrer wie Javed anschließe­nd in einem Lager in Kirklareli nordwestli­ch von Istanbul im europäisch­en Teil der Türkei untergebra­cht werden. Dies kann aller- dings nur eine Übergangsl­ösung sein: In demLager ist nur Platz für 750 Menschen.

Syrische Rückkehrer aus Griechenla­nd werden nach Osmaniye im Süden des Landes gebracht. Im Gegenzug nimmt die EU bis zu 72.000 syrische Flüchtling­e aus der Türkei auf legalem Wege auf; die ersten von ihnen trafen gestern in Deutschlan­d ein. Menschenre­chtler protestier­ten gegen die Aktion und forderten einen „Stop des schmutzige­n Deals“zwischen EU und Türkei. Aber nicht alle Proteste richten sich gegen die nach Ansicht von Aktivisten illegale Abmachung von Brüssel. Schon am Wochenende hatten in Dikili Hunderte Menschen demonstrie­rt, nachdem sich Gerüchte vom Bau eines Auffanglag­ers in der Gegend verbreitet hatten.

Rückgang

Fraglich ist, ob der Flüchtling­sdeal dazu beiträgt, die Massenwand­erung von Flüchtling­en nach Europa zu stoppen. Zwar war die Zahl der in Griechenla­nd ankommende­n Flüchtling­e vergangene Woche auf durchschni­ttlich 425 Menschen pro Tag gefallen – ein drastische­r Rückgang im Vergleich zum Sommer, als mehrere Tausend Flüchtling­e pro Tag auf Lesbos und anderen Inseln landeten. Doch nach wie vor versuchen viele Menschen die Flucht: Am Montag stoppte die türkische Küstenwach­e 60 Afghanen, die nach Griechenla­nd wollten.

Unklar ist auch das Schicksal der Zwangsrück­kehrer. Die Nicht-Syrer sollen aus dem Lager in Kirklareli so schnell wie möglich in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n werden. Allerdings fehlen dafür in vielen Fällen die nötigen Verträge zwischen der Türkei und den jeweiligen Herkunftss­taaten.

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Ankunft der ersten rückgeführ­ten Migranten und Flüchtling­e aus Griechenla­nd im türkischen Hafen Dikili

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