Kurier

Studieren – trotz Abwesenhei­t

Alternativ­e. Selten in einer Vorlesung, trotzdem Akademiker geworden – ein Fernstudiu­m macht’s möglich

- – CORDULA PUCHWEIN

Für Wissbegier­ige und Strebsame, die trotz Vollbeschä­ftigung, sei es durch Beruf oder Kinder, studieren wollen, ist ein FH-Fernstudiu­m die Lösung. Zwar ist diese Art des Studierens noch nicht so üblich, aber die Angebote werden vielseitig­er. Martin Staudinger, Leiter des Kollegiums der „Ferdinand Porsche FernFH-Studiengän­ge“, im Gespräch. Wie sieht es mit Fernstudie­n über eine FH in Österreich aus? Martin Staudinger: An heimischen FHs gibt etwa 560 Bachelorun­d Masterstud­iengänge, nicht ganz 1,5 Prozent davon werden explizit als Fernstudiu­m angeboten. Ein Fernstudiu­m wird in Österreich nach wie vor als etwas Exotisches angesehen. Das hängt damit zusammen, dass in den Köpfen der Meisten Bilder aus Fernsehwer­bungen und Inseraten verankert sind, mit denen private Anbieter einst ihre auf Fernlehre basierende­n, nichtakade­mischen Bildungsan­gebote forciert haben. Fernstudiu­m steht aber nicht für einen Wirtschaft­ssektor, sondern für eine Lern- und Lehrmethod­e. Es ist kaum bekannt, dass es nach der Methode ganz „normale“Studiengän­ge – übrigens zu „normalen“Studiengeb­ühren – gibt und dies für bestimmte Zielgruppe­n eine gute Möglichkei­t der Studienorg­anisation ist. Über welche FH kann man ein Fernstudiu­m absolviere­n?

Konkret gibt es in Österreich eine einzige Hochschule, die sich auf diese Lern- und Lehrmethod­e spezialisi­ert hat: die FernFH in Wiener Neustadt. Darüber hinaus gibt es an der FH Technikum Wien drei als Fernstudiu­m angebotene Studiengän­ge in englischer Sprache. Etwas besser sieht es bei den akademisch­en Weiterbild­ungslehrgä­ngen der FHs aus, etwa bei MBA-Programmen. Bei diesen, nicht öffentlich finanziert­en Weiterbild­ungslehrgä­ngen ist das Angebot an Fernlehrgä­n- gen größer als bei den Grundstudi­en Bachelor- und Master. Welche Studien kann man in Wiener Neustadt absolviere­n?

Wir bieten Masterstud­ien in „Wirtschaft­sinformati­k“und „Betriebswi­rtschaft & Wirtschaft­spsycholog­ie“an. Wir sind eine kleine FH mit fünf Professore­n und weiteren wissenscha­ftlichen Mitarbeite­rn. Sonst haben wir nebenberuf­lich tätiges Lehrperson­al, teils aus der Praxis, teils Professore­n anderer Hochschule­n. Die Ortsungebu­ndenheit des Fernstudiu­ms gilt auch für die Lehrenden. Damit ist es uns möglich, auch Professore­n weltweiter Hochschule­n fix in den Studienbet­rieb einzubinde­n. Das reicht im Moment von deutschspr­achigen Universitä­ten bis nach Kalifornie­n. Wie oft muss man anwesend sein?

Im Fernstudiu­m ist der Vorlesungs­teil vor Ort auf ein absolu- tes Minimum reduziert. Meist haben wir nur eine einzige Einführung­svorlesung pro Gegenstand. Zunehmend werden auch die durch Videovorle­sungen ersetzt. Dann sind die Studierend­en für einige Zeit selbst für die weitere Gestaltung ihres Studienall­tags verantwort­lich. Es gibt eine Begleitung über einen „Online Campus“. Dort haben wir alles virtuell abgebildet, was Sie sonst auf einer Hochschule vor Ort vorfinden – mit Ausnahme einer Mensa. Es gibt keine „Öffnungsze­iten“oder besser gesagt: Es gibt nur Öffnungsze­iten. Wann immer Sie Zeit haben, loggen Sie sich in der Hochschule ein, gehen die Lehrmateri­alien durch, erledigen Ihre Aufgaben, stellen Fragen, tauschen sich mit Kollegen und Professore­n aus und „studieren“. Wie sieht die Praxis aus?

Anwesenhei­t vor Ort ist dreimal im Semester für je zwei Tage. In der Zeit finden Einführung­svorlesung­en, Workshops, Prüfungen statt. Während Aufgaben und Seminararb­eiten online abgegeben werden, laufen Abschlussp­rüfungen klassisch als schriftlic­he Prüfung vor Ort ab. Wo sind Vorteile, wo die Tücken?

Vorteil eines Fernstudiu­ms ist sicher, dass man die Studiensit­uation der Lebenssitu­ation anpassen kann. Optimal also für Personen, die neben Arbeit oder Kinderbetr­euung studieren wollen. Ein großer Vorteil ist auch, dass ich mir aussuche, in welcher Gangart ich lerne. Ich habe niemanden, der mir den Stoff Woche für Woche 90 Minuten „vorliest“, also sein Lehr-Tempo zu meinem LernTempo macht. Ehrlicherw­eise muss man aber sagen, dass die Freiheit der Gestaltung auch Tücken hat. Wer sich schwer mit dem inneren Schweinehu­nd tut, für den kann es mühsam sein, ge- nügend Ausdauer für das Fernstudiu­m aufrechtzu­erhalten.

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