Österreich startet Quantenexperiment im All
Anton Zeilinger und Kollegen testen mit China Quantenkommunikation mit Satelliten
Im Experiment QUESS (Quantum Experiments at Space Scale) wollen österreichische und chinesische Forscher ab Ende Juli versuchen, Quantenkommunikation zwischen Satelliten und Bodenstationen zu demonstrieren. Das könnte ein erster Schritt in Richtung Quanteninternet und neuer Verschlüsselungstechnologien sein. Der KURIER hat den österreichischen Quantenphysiker und QUESS-Mitinitiator Anton Zeilinger befragt. KURIER: Was ist das Ziel der geplanten Experimente? Anton Zeilinger: Dauerhaft wollen wir demonstrieren, dass die Quantenkommunikation zwischen Satelliten und Bodenstationen funktioniert. Die Technik könnte ein Grundpfeiler eines künftigen Quanteninternets werden. Was ist das Quanteninternet?
Das normale Internet besteht aus Computern, zwischen denen Information als Bits übertragen wird. Das Quanteninternet funktio- niert genauso, nur dass statt Bits sogenannte Qbits ausgetauscht werden, die viel mehr Information tragen können. Deshalb kann ein Quantencomputer auch weitaus mehr als ein herkömmlicher Rechner. Was passiert im Experiment?
Verschränkte Photonenpaare werden am Satellit generiert und zur Hälfte an Bodenstationen in Wien, Graz oder Teneriffa gesendet. Ein Photon wird am Satelliten gemessen und eines an der Bodenstation. In einem ersten Schritt werden wir feststellen, ob die Verschränkung noch vorhanden ist. Sagt die Theorie nicht eindeutig, dass das so sein sollte?
Es gibt Vermutungen, nach denen die Verschränkung mit der Distanz abnehmen könnte. Bisher gibt es aber keine Anzeichen dafür. Das würde die gängige Theorie über den Haufen werfen.
Wenn die Verschränkung abnimmt, wäre das eine Sensation. Das wird aber wohl nicht passieren. Für uns wäre es ein Problem, weil wir nachweisen müssten, dass es sich nicht um einen Messfehler handelt. Ein solches Ergebnis könnte einen Hinweis für Theoretiker liefern, wie Gravitation und Quantentheorie zusammenpassen. Wie funktioniert die Quantenverschlüsselung?
Aus den Messresultaten am Satelliten und in den Bodenstationen können wir einen Code generieren, der zur Verschlüsselung verwendet werden kann. Da die Polarisation durch die Verschränkung immer gleich ist, ergibt sich an beiden Messpunkten eine identische Zufallsfolge aus Nullen und Einsen.
Die Kommunikation funktio- niert nur durch die Änderung des Zustands eines Partners?
Verschränkung und Manipulation der Photonen sind in unserem Experiment zunächst nur ein Schritt. Die Information wird direkt bei der Verschränkung übertragen. Diese Übertragung von Zustandsinformation auf ein anderes Teilchen nennen wir Teleportation. Sie wird die Basis künftiger Quantencomputer sein und auch des Quanteninternets sein. Verletzt diese überlichtschnelle Kommunikation nicht ein Naturgesetz?
Eine Manipulation an einem verschränkten Teilchen A führt zu einer Änderung des Zustands im Partnerteilchen B – ohne Zeitverlust. B kann diese Information aber nicht nutzen. Zum Auslesen ist zusätzlich ein klassisches, lichtschnelles Signal notwendig. Es reist also keine nutzbare Information schneller als Licht. Was heißt das für Quantencomputer?
Ein Quantencomputer kann das umgehen, weil er – um es mit Erwin Schrödinger zu sagen – nie in die Schachtel schauen muss, um Berechnungen anzustellen. Lediglich beim Abrufen des Ergebnisses ist ein klassisches Signal nötig. Wie viel Information kann pro Photonenpaar übermittelt werden?
Das ist Gegenstand der Forschung. Theoretisch gibt es keine Grenze, praktisch allerdings schon. Wir haben schon acht Bit übertragen. Wie steht es um die Quantencomputerforschung?
Große Firmen wie Google, Microsoft und Intel investieren mittlerweile echtes Geld in die Erforschung. Auch China treibt die Ent- wicklung mit viel Aufwand voran. Da passiert derzeit viel. Was bringen die geplanten zusätzlichen Satelliten?
Durch weitere Satelliten können wir höhere Datenraten erreichen und die Teleportation weltweit erproben. Mit zwei bis drei Satelliten können wir praktisch jeden Punkt auf der Erde erreichen. Die chinesischen Satelliten müssen sehr teuer sein.
Für China ist dies offenbar ein sehr wichtiges Projekt. Was unterscheidet die Herangehensweise der Länder?
Die Art der Entscheidungsfindung ist anders. Bei uns muss alles durch Gremien, in China wird kurz entschieden, die sind nicht zimperlich. Wie erklären sie sich Österreichs Führungsposition im Bereich der Quantenphysik?
In Österreich gibt es eine lange Tradition in diesem Bereich, mit Schrödinger, Pauli, Mach und Boltzmann. Das wirkt bis heute nach.