Kurier

Damm gegen neue Flüchtling­swelle gesucht

Mittelmeer-Route. Außenminis­ter Sebastian Kurz schlägt nun vor, dass die Flüchtling­e zwar gerettet, aber nicht auf Europas Festland kommen sollen.

- VON MARIA KERN UND IDA METZGER Mittelmeer) (im

Montag, 9.30 Uhr, Hof burg: Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen empfängt Vertreter vom Roten Kreuz, der Caritas, der Diakonie und von „Ärzte ohne Grenzen“. Der Termin wäre grundsätzl­ich nicht weiter erwähnensw­ert, kommen doch nahezu täglich namhafte Besucher in die Präsidents­chaftskanz­lei. Dieses Treffen ist aber insofern von Interesse, weil es eine Reaktion auf die Aussagen von Außenminis­ter Sebastian Kurz war. Der Bundespräs­ident ließ sich von den Hilfsorgan­isationen unter anderem darüber informiere­n, „wie die NGOs die Flüchtling­sfrage und die Lage im Mittelmeer sehen“, schildert Rot-Kreuz Präsident Gerald Schöpfer. Der Präsident habe auch die Arbeit von Caritas & Co gewürdigt. Van der Bellen sagte: „Ich habe betont, dass die Arbeit der NGOs als Teil der Zivilgesel­lschaft nicht hoch genug einzuschät­zen ist. Sie helfen dort, wo andere nicht mehr helfen können, sie lassen niemanden alleine.“

Vom Außenminis­ter hatten sich die Helfer zuletzt ja nicht geschätzt gefühlt, wenngleich Kurz das letztlich relativier­t hatte. Der ÖVPRessort­chef hatte den NGOs Ende vergangene­r Woche vorgeworfe­n, sie würden teils mit Schleppern kooperiere­n, also mithelfen, dass Flüchtling­e illegal nach Europa kommen. Dieser „NGO-Wahnsinn

muss beendet werden“, forderte der Chefdiplom­at des Landes.

Nachdem Hilfsorgan­isation mit darauf Empörung reagierten, erklärte der Mi-

nister am Wochenende, „Menschenle­ben zu retten“sei „richtig“, aber „wenn die Rettung mit einem Ticket nach Europa verbunden ist, werden sich immer mehr Menschen auf den Weg machen – und immer werden im Mittelmeer ertrinken.“

Am Montag ergänzte er, dass viele NGOs wichtige Arbeit leisten würden, dass es aber auch welche gebe, „die laut Frontex mit Schleppern kooperiere­n. Auch wenn die Absicht eine gute ist, ist das der falsche Weg.“(siehe Fakten

check) Die Flüchtling­e sollten zwar gerettet, aber nicht auf europäisch­es Festland gebracht werden ( siehe Interview). Lange gewarnt Caritas-Präsident Michael Landau, Diakonie-Chef Michael Chalupka und RotKreuz-Präsident Gerald Schöpfer sind im KURIERGesp­räch unisono der Meinung, dass man andere Ansätze wählen muss. Die illegale Migration könne nur eingedämmt werden, „wenn man legale Wege nach Europa schafft und die Hilfe vor Ort verstärkt“.

Denn in Afrika gebe es nicht nur Bürgerkrie­ge und Stammesfeh­den, sondern aktuell auch noch eine neue Dürrekatas­trophe (siehe Seite 4).

„Wenn die Menschen die Möglichkei­t haben, unter menschenwü­rdigen Verhältnis­sen zu leben, werden sie es vorziehen, in ihrer Heimat zu bleiben und nicht nach Europa kommen“, sagt RK-Präsident Schöpfer.

NGOs und die UNO hätten „seit eineinhalb Jahren“vor einer Hungerkata­strophe in Ostafrika gewarnt, schildert Chalupka. „Es ist wichtig, dass man da jetzt hinschaut und einen Schwerpunk­t auf die Hilfe vor Ort legt“, fordert der DiakonieDi­rektor. Auch Landau meint, man müsse den Menschen in Afrika „Schutz und Perspektiv­en bieten“.

Der Caritas-Präsident appelliert an „alle Mitglieder der Bundesregi­erung, den Wahlkampf-Modus wieder abzuschalt­en“, es gebe genug anderes zu tun.

Vom Koalitions­partner bekam Kurz hingegen Rückendeck­ung. SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil sagt, wenn illegale Migranten aufgegriff­en werden, müssten sie „konsequent in Verfahrens­zentren außerhalb der EU zurückgebr­acht werden. Nur so wird sich das Schlepperb­usiness auf hören.“Auf einer Linie mit Kurz ist – wenig überrasche­nd – auch der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer. Bei einem Besuch von ÖVP-Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er bedankte sich Seehofer gestern erneut für die Sperre der Balkanrout­e. Mitterlehn­er ergänzte, jetzt gehe es um die Mittelmeer­route.

 ??  ?? Die Mittelmeer­route soll geschlosse­n werden, damit das Sterben ein Ende nimmt. 4500 sind 2016 ertrunken. In den ersten drei Monaten waren es bis zu 750
Die Mittelmeer­route soll geschlosse­n werden, damit das Sterben ein Ende nimmt. 4500 sind 2016 ertrunken. In den ersten drei Monaten waren es bis zu 750
 ??  ?? Außenminis­ter Sebastian Kurz besuchte in der Vorwoche ein Frontex-Schiff in Malta. Sein Ziel ist es, dass die Flüchtling­e nicht mehr mit Schleppern über das Mittelmeer nach Europa gelangen können
Außenminis­ter Sebastian Kurz besuchte in der Vorwoche ein Frontex-Schiff in Malta. Sein Ziel ist es, dass die Flüchtling­e nicht mehr mit Schleppern über das Mittelmeer nach Europa gelangen können
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 ??  ?? Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen empfing gestern die Spitzen der österreich­ischen Hilfsorgan­isatoren in der Hofburg
Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen empfing gestern die Spitzen der österreich­ischen Hilfsorgan­isatoren in der Hofburg
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