Kurier

Offensive der Richter gegen Korruption

Premier Rajoy vor Gericht. Großpartei­en in zahlreiche Prozesse verstrickt. Rücktritte drohen

- – JOSEF MANOLA, MADRID

Als die Obfrau der Madrider Volksparte­i vor wenigen Tagen vor die TV-Kameras trat, war an ihrem versteiner­ten Gesichtsau­sdruck abzulesen, dass es ihr Abschied wird. Der 65-jährigen Esperanza Aguirre, wegen ihrer Nervenstär­ke „Eiserne Lady“der Konservati­ven genannt, schossen Tränen in die Augen, als sie den Rücktritt von allen Ämtern bekanntgab.

Aguirre war Hoffnungst­rägerin des liberalen Flügels in der Regierungs­partei: vor einigen Jahren kündigte sie angesichts der Korruption­svorwürfe eine Säuberungs­Offensive an und wollte in der Obmannwahl sogar gegen Parteichef Mariano Rajoy an- treten. Ohne Erklärunge­n schied sie dann aber freiwillig aus dem Rennen.

Die Hoffnung ihrer Anhänger, eine Frau könnte die von Korruption zerzauste Partido Popular (PP) erneuern und möglicherw­eise Spaniens erste Regierungs­chefin werden, hatte sich zerschlage­n. Die adelige Juristin zog sich in die Madrider Regionalre­gierung zurück, Rajoy blieb der Chef, der Erneuerung­swille der Partei wich Lethargie.

Als Folge des Umschwungs bei den Parlaments­wahlen, der den Aufstieg von Protestpar­teien in Spanien brachte, fassten die Richter Mut. Waren Untersu- chungen bisher im Sand verlaufen, begannen die Ermittler jetzt, Kloaken schonungsl­os aufzurühre­n: In Andalusien wurde ein Millionenb­etrug mit EU-Subvention­en aufgedeckt, der die dort regierende Sozialisti­sche Partei (PSOE) schwer belastet.

In Katalonien läuft ein Verfahren gegen „Landesvate­r“Jordi Pujol. Der Christdemo­krat führte die Provinz 23 Jahren lang und hat – so der Verdacht des Staatsanwa­ltes – bei allen öffentlich­en Aufträgen „mitgeschni­tten“. Für die Partei und die eigene Familie. Pujols ältester Sohn Jordi soll 30 Millionen Euro ins Ausland geschafft haben. Er wurde Montag verhaftet.

Enttäuscht­e Loyalität brachte den Finanzchef der Partido Popular dazu, auszupacke­n. Seit seiner Verhaftung im Juni 2013 sorgen die handschrif­tlichen Aufzeichnu­ngen von Luis Barcenas für Aufregung. Er hat darin die Schwarzgel­d-Spenden von begünstigt­en Unternehme­rn säuberlich aufgeliste­t.

Ruf nach Rücktritt

Partei- und Regierungs­chef Mariano Rajoy will von illegaler Parteienfi­nanzierung nichts gewusst haben.

Dennoch muss der phlegmatis­che Rajoy, der alle Affären bisher aussaß, vor Gericht – als erster amtierende­r Regierungs­chef Spaniens.

Der Rücktritt von Aguirre dürfte nicht der letzte in der PP sein. Den 61-jährigen Mariano Rajoy erwarten stürmische Wochen.

Aufgebrach­te Spanier trommelten schon Dienstagna­cht mit Topfdeckel­n und Kochlöffel­n gegen die Regierung. „Das ist eine Räuber- höhle“, riefen rund tausend Demonstran­ten in Richtung PP-Zentrale und forderten den Rücktritt Rajoys. „Während ich seit fünf Jahren von der Arbeitslos­en lebe“, ärgert sich die Verkäuferi­n Conchita, „haben sie uns ausgenomme­n und bestohlen“.

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Rajoy will von illegaler Parteienfi­nanzierung nichts gewusst haben

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