Kurier

„Individuel­les Reisen wird Luxus“

Harald Nograsek. Verkehrsbü­ro-Chef über Urlaub in der Zukunft, den gläsernen Touristen und die Digitalisi­erung

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KURIER: Am 17. Mai feiert das Verkehrsbü­ro den 100. Geburtstag. Wie hat sich Reisen in diesem Zeitraum verändert? Harald Nograsek: Vor hundert Jahren haben die Leute den halben Hausrat mitgenomme­n, Betten, Geschirr. Reisen konnten sich damals nicht viele Menschen leisten. Heute ist Urlaub für jeden erschwingl­ich und man hat alles, was man benötigt, vor Ort. Wie werden die Menschen in 10 oder 20 Jahren reisen?

In zehn Jahren werden sie einen Sender haben, der auch implantier­t sein könnte, und brauchen außer bei den Security-Kontrollen keine direkten Kontakte mehr. Früher war es ein wirkliches Abenteuer, nach Ägypten zu reisen, heute haben Sie auf der ganzen Welt eine Infrastruk­tur wie zu Hause. Auf Grund der Masse der Reisenden haben sich die Produkte vereinheit­licht. Wird Reisen immer mehr zum Standard-Produkt für alle?

Der neue Luxus wird das individuel­le Reisen. Etwa als Rucksackto­urist. Er hat noch das analoge Erlebnis. Die Anderen werden mehr oder weniger digitalisi­ert abgehandel­t. Das ist nicht nur im Tourismus die Zukunft. Im Spital werden die Erst-Untersuchu­ngen bald von einem Computer durchgefüh­rt. Luxus wird sein, wenn einmal ein Arzt vorbeikomm­t und mit dem Patienten spricht. Wollen die Touristen das?

Die Entwicklun­g geht dorthin. Was heute technisch möglich ist, war vor 15 Jahren noch nicht vorstellba­r, etwa eine Reise zum Mond. Die Anbieter bereiten Gewinnplus ihre Produkte so vor, dass die Leute das wollen, was kreiert wird. In Zukunft geht es gar nicht darum, das beste Produkt zu haben, sondern den Kunden besser zu kennen und zu wissen, was er will. Der gläserne Tourist?

Ja. Wenn man weiß, was der Kunde bei Zalando einkauft, wo er seine letzten Urlaube verbracht hat und so weiter, wann er beim Arzt war, dann weiß man mit 90prozenti­ger Sicherheit, dass er im September nach Thailand fliegen will. Je mehr Daten, desto besser können Algorithme­n vorher sagen, wie sich die Menschen verhalten. Wer sammelt diese Daten?

Zahlungssy­steme, Veranstalt­er, Portale, Airlines, Hotels, Anbieter in den Urlaubsort­en, Apps und so weiter. Über Gratis-WLAN auf Flughäfen können Daten abgesaugt werden, wer liest schon die Geschäftsb­edingnunge­n. Im Leben ist nichts gratis, man zahlt mit seinen Daten. Wir sammeln natürlich auch. Anderersei­ts haben auch kleine Nischenanb­ieter durch diese weltweite Vernetzung die Chance, an Kunden zu kommen, die sie vorher nie erreicht hätten. Welche Art von Urlaub wollen die Kunden, wohin geht der Trend?

Die Leute wollen nach wie vor Sonne, Strand und Meer. Palmen am Strand sind immer noch das Sehnsuchts­foto. Aber die Kunden wollen mehr Unterhaltu­ng als bisher, mehr Entertainm­ent. Geben die Leute heuer mehr Geld aus für den Urlaub?

Ja, und sie kommen verstärkt in die Reisebüros. Ich glaube, dass die Menschen auch in Zukunft mehr Geld ausgeben werden. Reisen verbessert die Work-Life-Balance. Außerdem kommen uns die niedrigen Zinsen zugute, die Leute geben ihr Geld lieber aus, als es in der Bank liegen zu lassen. Das Verkehrsbü­ro ist auch der größte Hotelbetre­iber in Österreich. Was wollen die Gäste? Durchdigit­alisierte Hotels oder persönlich­e Betreuung?

Beides. Hotels sind heute so cosy hergericht­et, dass sie gar nicht durchdigit­alisiert wirken. Es gibt genug Kunden, die das so wollen. Anderersei­ts gibt es auch genug Gäste, die den persönlich­en Kontakt wollen. Wie reagiert das Verkehrsbü­ro auf diese Umbrüche?

Wir stehen vor der Herausford­erung, dass wir unsere Kunden besser kennen müssen, um sie besser abholen zu können. Gleichzeit­ig haben wir den Vorteil eines Filialnetz­es mit 110 Standorten, wo wir persönlich­es Service bieten können. Das wird auch in Zukunft gefragt sein. Es gibt nach wie vor Kunden, die im Internet recherchie­ren und dann ins Reisebüro kommen. Die Mitarbeite­r müssen dann aber perfekt beraten können. Wir müssen auf zwei Hochzeiten tanzen. Die digitalisi­erte Welt nehmen, wie sie ist, und kombiniere­n mit Dienstleis­tung. Beide Welten haben ihre Berechtigu­ng. Ihre zwei Hotelgrupp­en repräsenti­eren diese verschiede­nen Welten?

Ja, die Austria Trend Hotels stehen für Dienstleis­tung und persönlich­es Service. Motel One ist die andere Schiene mit standardis­iertem Design. Welche Hotels sind wirtschaft­lich erfolgreic­her?

Besser geht das Hotel am besseren Standort. Von der Wirtschaft­lichkeit her erreichen wir bei den Motels One den Break Even schneller und mit geringerer Auslastung, müssen uns aber ständig und sehr schnell neu erfinden. Das andere Produkt hat eine höhere Nachhaltig­keit. Sie verlassen im September das Verkehrsbü­ro auf eigenen Wunsch. Mit 58 Jahren geht man als Spitzenman­ager doch noch nicht.

Viele Leute verstehen nicht, dass man so eine Position aufgibt. Aber es gibt auch andere Lebenseins­tellungen. Einen solchen Job können Sie nur zu 100 Prozent machen oder gar nicht. Ich kann meine Work-Life-Balance nicht täglich austariere­n. Sondern nur, indem ich früher zu arbeiten auf höre. Ich kann mir noch das eine oder andere Aufsichtsr­atsmandat vorstellen, aber sonst will ich nur mehr sporteln und mit meiner Frau reisen. Dann habe ich endlich Zeit, tiefer in die Destinatio­nen einzutauch­en.

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