Kurier

Mittelmeer­route schließen: Regierung soll jetzt „entschloss­en auftreten“

Interview. Doppelstaa­tsbürger – 4000 Verdachtsf­älle, Mikl-Leitner droht mit Aberkennun­g von Sozialleis­tungen

- VON (Lacht)

Der KURIER sprach mit Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r (VP) in Grafenegg über die heißen Eisen Flüchtling­spolitik und Doppelstaa­tsbürgersc­haft und ihren neuen politische­n Stil der Zusammenar­beit in NÖ. KURIER: Mit dem Sommerbegi­nn startet in Niederöste­rreich der Kulturbetr­ieb durch. Was bedeutet Ihnen dieser Ort? Mikl Leitner: Grafenegg ist zu einer Marke Niederöste­rreichs geworden. Aufgrund der Kulturpoli­tik von Erwin Pröll sind in 25 Jahren 600 Millionen Euro in die Infrastruk­tur investiert worden. Was hat es gebracht?

1,1 Milliarden Euro an Wertschöpf­ung und 25.000 Arbeitsplä­tze. Davon hat das ganze Land profitiert. Die Politik befindet sich nicht in den Ferien. Fühlen Sie sich beim Thema Flüchtling­e und Mittelmeer­route in das Jahr 2015 zurückvers­etzt, als Sie Innenminis­terin waren?

Da gibt es schon Parallelen. Hätten wir damals den Beschwicht­igern und Verzögerer­n nachgegebe­n und den Zaun nicht gebaut, dann wäre die Balkanrout­e bis heute nicht geschlosse­n. Das war heftig umstritten.

So ist es. Letztlich war es aber der Schlüssel zur Schließung der Balkanrout­e. Die Nachbarlän­der haben gesehen, die österreich­ische Regierung meint es ernst. Bundeskanz­ler Kern hat den Vorstoß von Außenminis­ter Kurz, die Mittelmeer­route zu schließen, als Vollholler bezeichnet. Experten sagen, dort zu patrouilli­eren, geht nicht.

Auch das erinnert mich an sogenannte Expertenau­ssagen vor der Schließung der Balkanrout­e. Natürlich muss jetzt das Ziel sein, die Mittelmeer­route zu schließen. Jetzt geht es darum, dass die Bundesregi­erung in dieser Sache geschlosse­n und entschloss­en auftritt. Dann kann Österreich auch etwas bewegen. Bei der Balkanrout­e haben wir es bewiesen. Nach dem gemeinsame­n Weg schaut es nicht aus.

Das vermisse ich eben – besonders in einer so herausford­ernden Zeit. Wofür sind Sie? Route schließen, kontrollie­rte Zuwanderun­g?

Ich habe 2014 auf europäisch­er Ebene den Vorschlag eingebrach­t, dass in UNHCR-Zentren außerhalb Europas geprüft wird, wer die Chancen bekommen soll, auf legalem Wege nach Europa zu kommen. Dafür wurde ich damals heftig kritisiert. Heute ist das Mehrheitsm­einung und das ist gut so. Welche Fehler von 2015 sollte die Politik nicht wiederhole­n?

In der Migrations­krise hat die Europäisch­e Union wenig Lösungskom­petenz gezeigt und daher viel Vertrauen verspielt. Das kann aber zurückgewo­nnen werden, indem die EU-Außengrenz­en ordentlich gesichert und alle illegalen Migrations­routen gesperrt werden. Natürlich müssen wir die afrikanisc­hen Länder stärken, damit sich die Menschen erst gar nicht auf den Weg machen. Aktuell haben Sie Auftrag gegeben, wegen illegaler Doppelstaa­tsbürgersc­haften zu ermitteln. Das Innenminis­terium lieferte diese Woche Fakten.

Die österreich­ische Staatsbürg­erschaft besitzen zu dürfen, ist ein Privileg. Darum dürfen damit keine doppelten Spielchen gespielt werden. Wir haben 4000 Verdachtsf­älle. Ich habe daher eine Stabsstell­e eingericht­et, wo alle Maßnahmen von uns mit dem Bund koordinier­t werden. Experten meinen, ohne Mitwirkung der Türkei wird das schwer nachzuweis­en sein.

Das ist die große Herausford­erung. Die Leute werden vorgeladen?

Da gibt es eine Mitwirkung­spflicht. Wenn nicht, wäre das für uns ein Grund für eine Aberkennun­g. Was droht bei Missbrauch?

Wer die Staatsbürg­erschaft verwirkt hat, verliert auch sein Aufenthalt­srecht und damit auch den Anspruch auf entspreche­nde so- ziale Leistungen. Da werden wir Rückforder­ungen prüfen. Im Bereich der Mindestsic­herungen nehmen wir das selbst in die Hand. Es geht um eine neue Gerechtigk­eit: Denn Sozialleis­tungen sind für die Schwächste­n da und nicht für die Frechsten. Anderes Thema: Die ErwinPröll-Stiftung ist aufgelöst, die Kritik daran ist geblieben.

Fakt ist, dass die Stiftung rechtlich korrekt begründet wurde. Aber da gab es die Rückzahlun­gsaufforde­rung des Landes, und es wurden Fördergeld­er samt Zinsen zurückbeza­hlt.

Weil der Stiftungsz­weck, nämlich die Schaffung einer Akademie für den ländlichen Raum, mittelfris­tig nicht realisierb­ar ist. Daher hat sich die Stiftung aufgelöst. Manche meinen, Sie hätten ein schweres Erbe angetreten.

Ich habe die schönste Aufgabe übernommen, die es gibt. Sie sind Chefin der VP-NÖ. Sebastian Kurz hat die BundesÖVP übernommen. Wie geht es Ihnen damit, dass er bei der Erstellung der Nationalra­tswahllist­e in NÖ mitspricht?

Sebastian Kurz hat bei mir als Staatssekr­etär seine Karriere in der Bundesregi­erung begonnen. Wir haben ein ausgezeich­netes Verhältnis. Wie kann man sich das vorstellen: Kurz ruft Sie an und sagt, ich brauch in Niederöste­rreich jemand auf der Liste?

Wer uns kennt, weiß, dass wir da im guten Dialog sind und wir ein gemeinsame­s Ziel haben, die Nationalra­tswahl zu gewinnen. Kurz will die besten Köpfe in der Regierung. Werden die auch aus Niederöste­rreich sein?

Wir müssen uns vom alten Stil verabschie­den, es den Landeshaup­tleuten als Schwäche auszulegen, wenn sie keinen Minister aus ihrem Bundesland haben. Das sind Denkmuster von gestern. Sie haben sich zuletzt auch für einen neuen Stil in der Politik in Niederöste­rreich stark gemacht. Und betonen den Wunsch nach der guten Zusammenar­beit. Warum?

Die Bundespoli­tik zeigt, dass es ohne ein ehrliches Miteinande­r nicht geht. Meine Erfahrung zeigt, dass im „Wir“die Kraft des Erfolges liegt. Da meine ich besonders die Zusammenar­beit zwischen dem Land und den Gemeinden und dem Bund. Das „Wir“umfasst auch die Regierungs­mitglieder der anderen Parteien?

Das ist mir bei Sachthemen wichtig. Darum habe ich erstmals die gemeinsame Regierungs­klausur mit allen Parteien einberufen – zur Digitalisi­erungs-Offensive, da das Thema in alle Ressorts hinein ragt. Zum Weg der Zusammenar­beit gehören zwei, wie sehen Sie den neuen SPÖ-Chef Franz Schnabl?

Ich hoffe, dass das Arbeitsübe­reinkommen eingehalte­n und das konstrukti­ve Miteinande­r fortgesetz­t wird.

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