Kurier

„Die Tour ist unübertrof­fen“

Radsport. Vor seiner zwölften Tour de France spricht Bernhard Eisel über die Faszinatio­n des größten Rennens der Welt, die Aufgaben eines Helfers und über Doping.

- VON FLORIAN PLAVEC

Elf Mal ist Bernhard Eisel in die Tour de France gestartet, elf Mal hat er auch das Ziel gesehen. Am Samstag startet der 36-jährige Steirer, der in Klagenfurt wohnt, zum zwölften Mal beim wichtigste­n Radsport-Ereignis der Welt. Die fixe Zusage seines Teams Dimension Data wird für Montag erwartet. KURIER: Weshalb ist die Tour das Größte im Radsport?

Bernhard Eisel: Die Tour de France ist vom Prestige her unübertrof­fen. Für mich ist sie das größte Sportereig­nis überhaupt. Die Logistik drumherum ist unfassbar. Bei einer Fußball-WM haben sie acht Jahre Zeit, um alles vorzuberei­ten, Stadien zu bauen und Verkehrsko­nzepte zu erstellen. Bei der Tour müssen jeden Tag Start und Ziel aufgebaut und 4500 Autos bewegt werden, Hunderttau­sende Fans stehen an der Strecke. Das Team, das das organisier­t, ist fantastisc­h. Sie starten in Ihre zwölfte Tour de France. Der Rekord liegt bei 17 Teilnahmen ... Keine Chance. Den Rekord kann George Hincapie (USA; Anm.) gerne behalten. Mit welchen Gefühlen geht man in so ein Mammut-Rennen? Freut man sich, oder hat man Angst vor der Tour der Leiden?

Das Leiden ist immer gleich. Egal, ob man an der Spitze fährt oder hinten. Ich freue mich jedes Jahr auf die Tour. Es ist eine Ehre, dabei zu sein. Man ist voller Euphorie, da hat man dann keine Angst. Und ich freue mich sehr auf die erste Etappe. Der Grand Départ ist heuer in Düsseldorf mit einem Einzelzeit­fahren.

Man bezeichnet Sie als Road Captain. Was ist da Ihre Aufgabe im Team?

Ich soll meine Erfahrung ausspielen, und ich bin die Schnittste­lle zwischen sportliche­m Leiter und dem Team. Nicht nur im Rennen, sondern auch abseits davon, vielleicht im Bus. Unser Team umfasst mit Betreuern 30 Leute, ich schaue drauf, dass da die Stimmung passt. Manchmal muss ich auch im Rennen rasch Entscheidu­ngen treffen. Fahren wir einer Gruppe nach, oder fahren wir nicht nach? Ich sollte die Ergebnisli­ste also relativ gut im Kopf haben. Sie haben im Mannschaft­ssport Radfahren Ihre Rolle als Domestik gefunden. Will man nicht selbst als Erster über die Ziellinie fahren?

Manchmal wünscht man sich das schon. Aber ich muss ehrlich sein: Ich habe eine Zeit gehabt, wo ich selber der Sprinter war, da habe ich noch ein, zwei Siege im Jahr gefeiert. Aber ich bin älter geworden, es ist der Weg des ge-

ringsten Widerstand­es geworden. Aber warten wir ab: Sollte Mark Cavendish (der

Sprinter im Team; Anm.) die Tour nicht fahren können ... vielleicht probiere ich etwas. Radfahren ist für Sie ein normaler Job, mit dem man sein Geld verdient?

Ja. Eigentlich bekomme ich Geld dafür bezahlt, dass ich von A nach B fahre. Und alle zehn Tage bekomme ich einen Ruhetag. Falls Cavendish nicht dabei sein sollte, fahre ich sogar planlos von A nach B. Wenn man aber eine Rolle und eine Aufgabe hat, macht das richtig Spaß. Wie viel verdienen Sie?

Es geht. Ich bin lange genug dabei, ich werde gut bezahlt. Wenn ich nach meiner Karriere meinen Lebensstan­dard halten will, werde ich aber weiterarbe­iten müssen. Ich werde voraussich­tlich im Radsport noch etwas machen. Wie lange wollen Sie denn noch in die Pedale treten?

2019 ist mein Ziel. 2020 wären noch die Olympische­n Spiele in Tokio, das würde mich auch reizen. Vom Körper her wäre das kein Problem, aber irgendwann muss man auch mental den Absprung schaffen. Was zeichnet einen Tour-deFrance-Sieger aus?

Er muss alles können, und das 21 Tage lang. Eigentlich ist das eine kranke Sportart. All die Fahrbahnte­iler, Verkehrsin­seln, Blumenkübe­l, der Regen, rutschige Straßen, Abfahrten ohne Absperrung­en ... das Ganze immer am Limit, und am Ende entscheide­n drei Minuten. Man darf sich in den drei Wochen keinen Fehler erlauben. Weder das Team, noch der Fahrer. Was einen Sieger ausmacht, ist aber auch der Hunger, der einen antreibt. Man muss ein ganzes Jahr nur auf dieses Rennen fokussiert sein. Was sagen neue Bekanntsch­aften zu Ihrem Beruf „Radprofi“? Jetzt geht es. Vor zehn Jahren war das anders. Ich

wurde gefragt: „Was machst du?“„Rad fahren.“„Aha, schön. Und beruflich?“Ja, vom Radfahren kann man leben. Und die nächste Frage war definitiv: „Kennst du Lance Armstrong?“Apropos Armstrong: Sie sind die Tour de France schon 2004 und 2005 gefahren. Damals noch mit Armstrong und Jan Ullrich. Wenn man sich die Ergebnisli­ste des Rennens 2005 anschaut, findet man unter den Top Ten acht Fahrer, die mit Doping in Verbindung gebracht wurden. Was haben Sie damals mitbekomme­n?

Ich glaube ja, dass es die Generation, die heute vorne mitfährt, ohne Armstrong und Ullrich nicht geben würde. Dieses Duell hat den Boom ausgelöst. Das waren auch meine Idole – und die sind mir damals einfach davongefah­ren. Ich bin abgehängt worden. Vermutet haben wir schon, dass da etwas nicht stimmt. Aber wie groß und flächendec­kend das System in gewissen Teams war, das haben wir nicht gewusst.

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Der Routinier: Eisel ist wichtiger Helfer im Team Dimension Data

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