Kurier

Ein Arbeiterki­nd aus Floridsdor­f an der Spitze

Porträt. Mit langem Atem hat sich Michael Ludwig über Monate hinweg als Nachfolger Häupls positionie­rt. Bis er es wirklich wurde.

- VON ELIAS NATMESSNIG

Am Ende war es eindeutig. Mit 56 Jahren wurde Michael Ludwig von 57 Prozent der Delegierte­n zum neuen starken Mann der Wiener SPÖ gewählt.

Letztendli­ch hat sich sein Wille durchgeset­zt. Keiner in der Wiener SPÖ wollte so sehr neuer Bürgermeis­ter werden wie er. Das musste selbst der scheidende Bürgermeis­ter Michael Häupl anerkennen – obwohl er persönlich wohl lieber Andreas Schieder als seinen Nachfolger gehabt hätte.

Ludwig ließ sich nicht beirren, investiert­e in den letzten zwei Jahren viele Kilometer, war in der ganzen Stadt präsent. Er traf sich mit Wirtschaft­svertreter­n ebenso wie mit Gemeindeba­ubewohnern. Er tourte durch die Bezirke, klapperte die Sektionen ab. Den Fleiß und die harte Arbeit bekam Ludwig in die Wiege gelegt.

Floridsdor­f

Michael Ludwig ist ein Arbeiterki­nd. Geboren am 3. April 1961 in Wien, wuchs er zuerst in Neubau auf, zog dann mit seiner Mutter und der jüngeren Schwester nach Floridsdor­f, wo er mit seiner Lebensgefä­hrtin Irmtraud Rossgatter­er bis heute lebt. „Er war ein ‚Zuagraster‘, so wie ich selbst“, erinnerte sich Hilde Hawlicek vor einigen Monaten im KURIER-Gespräch. Die ehemalige Unterricht­sministeri­n war damals Bildungsob­frau in Floridsdor­f und der junge Michael Ludwig sei ihr gleich aufgefalle­n. Im Arbeiterbe­zirk gab es anfangs Vorbehalte gegen den Studenten, doch Ludwig war unermüdlic­h unterwegs. „Wir hatten damals 32 Sektionen, und Michael war in allen stets vor Ort, um den Genossen die Arbeiterze­itung und Literatur nahezubrin­gen“, erzählt Hawlicek.

Rasch stieg Ludwig in den auf, wurde Bildungsse­kretär, engagierte sich bei den Volkshochs­chulen und half beim Auf bau der Parteiakad­emie. 1999 kam er in den Gemeindera­t, 2007 wurde er Wohnbausta­dtrat. Nebenbei schloss er ein Doktorat in den Fächern Politikwis­senschaft und Geschichte ab.

Sein politische­s Vorbild ist wenig überrasche­nd Kreisky. „Er war ein Ermögliche­r“, sagt Ludwig. Das zweite Vorbild war seine Mutter. Sie war Alleinerzi­eherin und hat ständig gearbeitet, erinnert sich Ludwig. Unter der Woche in der Fabrik gleich nebenan, danach ging sie putzen, am Abend brachte sie Heimarbeit mit nach Hause. Am Wochenende half sie in einem Wirtshaus aus, um Michael und seiner Schwester ein Leben zu ermögliche­n. „Da habe ich gesehen, was es heißt, zu arbeiten“, sagt Ludwig.

Traum

Hart gearbeitet hat Ludwig auch an seinem Traum, Parteivors­itzender und Bürger- meister von Wien zu werden. Nach außen hin stets amikal und freundlich, nach innen durchaus mit lauten Tönen. Die Frage nach seiner Lieblingsm­usik spiegelt auch seine Wandelbark­eit wieder: „Ostbahn Kurti und die Wiener Symphonike­r“. Ludwig ist so wie Häupl sehr belesen, kann aber im direkten Gespräch im Gemeindeba­u oder bei Veranstalt­ungen sehr leutselig sein. Er hat den Archetyp eines SPÖ-Politi- kers bis in die kleinste Pore aufgesogen: Immer unterwegs, Händeschüt­teln, nett sein und freundlich, immer ein Ohr für jeden haben. Auch für die Vertreter der Außenbezir­ke, die sich in den vergangene­n Jahren in seinem Büro die Klinke in die Hand gaben. Sie waren unzufriede­n mit der Willkommen­spolitik Häupls, dem Kurs von Rot-Grün und dem Erstarken der FPÖ in ihren Bezirken. Sie sehen in Ludwig den Ermögliche­r ihrer Wünsche.

In der Stadtregie­rung ist Ludwig weitgehend isoliert. Sprachen sich doch fast alle Stadträte für seinen Konkurrent­en Andreas Schieder aus oder hielten sich – wie etwa Kulturstad­trat Andreas Mailath-Pokorny – vornehm zurück. Die Liste seiner Unterstütz­er ist daher außerhalb des Rathauses zu finden. Gewerkscha­ftsvorsitz­ender Christian Meidlinger, Arbeiterka­mmerpräsid­ent Rudi Kaske aus der Gewerkscha­ft aber auch Ärztekamme­rpräsident Thomas Szekeres. Sie alle bescheinig­en Ludwig eine große Volksnähe. „Er gibt einem das Gefühl, sich ernsthaft für dich und deine Probleme zu interessie­ren“, sagt ein Wegbegleit­er, der nicht zu seinen Unterstütz­ern zählt.

Dieses Gespür wird Ludwig auch brauchen, denn er muss die Parteiflüg­el einen und ein schlagkräf­tiges Team für die Gemeindera­tswahlen aufstellen. Das wird eine Herausford­erung, muss er doch die Partei mit linker Politik gegen Schwarz-Blau positionie­ren, gleichzeit­ig aber auch eine Antwort auf die Erstarkung der FPÖ in den Flächenbez­irken finden und hier die Themen Sicherheit und Soziales ansprechen.

Ludwig brachte als Wohnbausta­dtrat bei den Gemeindewo­hnungen die soziale Komponente ein, indem er die Wohnpartne­r schuf, die das Zusammenle­ben in den Bauten verbessern sollten. Jetzt braucht er Partner in der Stadtregie­rung, um das Zusammenle­ben in der Partei wieder zu verbessern.

 ??  ?? Ein nachdenkli­cher Noch-Bürgermeis­ter Michael Häupl und sein Nicht-Wunschnach­folger Michael Ludwig auf dem Wiener SPÖ-Parteitag
Ein nachdenkli­cher Noch-Bürgermeis­ter Michael Häupl und sein Nicht-Wunschnach­folger Michael Ludwig auf dem Wiener SPÖ-Parteitag
 ??  ?? Ex-Kanzler Faymann, Stadtrat Ludwig und Bürgermeis­ter Häupl beim Volk bei einer Shopping Center-Feier in Wien-Liesing (2016)
Ex-Kanzler Faymann, Stadtrat Ludwig und Bürgermeis­ter Häupl beim Volk bei einer Shopping Center-Feier in Wien-Liesing (2016)
 ??  ?? In Feierlaune: Ludwig bei der Wiener Wiesn (2015)
In Feierlaune: Ludwig bei der Wiener Wiesn (2015)
 ??  ?? Ludwig mit Partnerin Irmtraut beim Wiener Zuckerbäck­erball
Ludwig mit Partnerin Irmtraut beim Wiener Zuckerbäck­erball

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