Kurier

Wenn die Burschen Walzer tanzen

Reportage. Der KURIER war auf dem Akademiker­ball, der dieses Jahr – etwas – weniger national anmutete

- VON Vizekanzle­r FPÖ

Der Freitagabe­nd brachte in Wien zwei zufriedene Veranstalt­er hervor: Einer freute sich über fast 3000 Besucher beim Wiener Akademiker­ball. Der andere jubelte über 10.000 Teilnehmer bei der Demonstrat­ion gegen die Tanzverans­taltung in der Hof burg. Beide Organisato­ren sprachen am Ende des Abends über eine Rekordteil­nehmerzahl – was in beiden Fällen nicht ganz stimmt. Als der Akademiker­ball nämlich noch WKR-Ball hieß, waren die Veranstalt­ungen ebenso gut besucht. Der KURIER war bei beiden „Events“dabei und geriet sogar kurz zwischen die verhärtete­n Fronten.

Mit einem Ballkleid in einem Taxi in Richtung Hofburg zu fahren, kann am Tag des Akademiker­balls nämlich unangenehm werden. Als die Polizei die Ballkarten kontrollie­rte, um dem Taxi den Weg in die Sperrzone zu öffnen, mussten sich die Redakteuri­nnen Beschimpfu­ngen anhören, weil sie „mit den Rechten tanzen“. Als Journalist ist man an diesem Abend irgendwie immer fehl am Platz. Kommt man in der Hofburg an der Bar in ein Gespräch und outet sich als Mitglied der schreibend­en Zunft, sind die Reaktionen der Burschensc­hafter zwar nicht unfreundli­ch, aber doch eher verhalten. Outet man sich nicht, wird man vielleicht auf ein Glas Sekt eingeladen. Auf politische Gespräche wartet man aber so oder so vergeblich. Der Akademiker­ball scheint nämlich – wie von vielen Stammgäste­n immer wieder betont wird – tatsächlic­h kein Ort zu sein, an dem über Gesinnunge­n debattiert wird.

„Alles Wanze“

Politisch wurde es dann im offizielle­n Teil bei der Eröffnung des Balls, als Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache zu Wort kam. Für viele Errun- genschafte­n sei das nationalfr­eiheitlich­e Lager Vorkämpfer für die heutige Demokratie gewesen. Man habe für Meinungsfr­eiheit, für Pressefrei­heit gekämpft. „Wir haben begonnen, totalitäre Strukturen und Systeme aufzubrech­en. Die Verbindung­en sind in Folge 1938 verboten worden und haben sich nach dem Krieg wieder gegründet. Beim Burschenta­g 1958 wurde mit großem Nachdruck beschlosse­n, sich von jedem Antisemiti­smus und Rassenwahn zu distanzier­en“, sagte Strache. Das Verständni­s der Burschensc­haften sei es, die Verbrechen an den Juden und Antisemiti­smus zu verurteile­n und dem mit aller Kraft entgegenzu­treten. Dafür gab es mäßigen Applaus aus dem Publikum.

„Das Hassen überlassen wir jenen, die heute draußen stehen und völlig unreflekti­ert über uns herziehen und gegen uns hetzen“, sagte der Vizekanzle­r. Strache, der fälschlich­erweise als Professor vorgestell­t wurde, korrigiert­e das mit „ich bin nur ein HC“und machte vor dem „Alles Walzer“noch eine Anspielung auf die aktuellen Schlagzeil­en: „Jetzt hätte ich fast ’Alles Wanze’ gesagt, so wie in meinem Büro.“

Farblos

Strache verzichtet­e dieses Jahr übrigens auf seine Studentenm­ütze und die Bän- der, die er als Mitglied der Burschensc­haft Vandalia in den letzten Jahren stets getragen hatte. Überhaupt war der heurige Akademiker­ball vergleichs­weise wenig „bunt“. Während man in den vergangene­n Jahren ohne Couleur noch aufgefalle­n wäre, war das Mengenverh­ältnis zwischen Couleur-Trägern und einfachen Frack-Trägern 2018 ungefähr gleich groß.

An blauer Polit-Prominenz fehlte es dem Ball traditione­ll nicht. Dominik Nepp – seit wenigen Tagen Wiener Vizebürger­meister – war ebenso anwesend wie sein Vorgänger Johann Gudenus. Ursula Stenzel nahm an seinem Tisch Platz. Mit von der Partie war auch der ehemalige dritte Nationalra­tspräsiden­t Martin Graf sowie Ex-Vizekanzle­r Herbert Haupt.

In sozialen Netzwerken wurde auch über die Anwe- senheit des deutschen AfDPolitik­ers Björn Höcke gemutmaßt, der KURIER konnte ebendiesen aber nicht ausmachen – möglicherw­eise hatte er sich in eine Loge zurückgezo­gen. Sehr wohl gesichtet wurde allerdings Identitäre­n-Chef Martin Sellner, der sein Couleur erst nach dem Eintritt in die Hofburg anlegte.

Keine Störaktion

Die anwesenden Journalist­en warteten nach der Eröffnung gespannt auf die angekündig­te Mitternach­tseinlage der satirische­n Burschensc­haft Hysteria. Das Mastermind hinter der Kunstaktio­n, Stefanie Sargnagel, hatte auf Twitter im Laufe des Abends immer wieder vermeintli­che Fotos aus der Hof burg veröffentl­icht und sie mit „Gleich geht es los“kommentier­t. Wie am Farbkonzep­t der Veranstal- tung aber leicht zu erkennen war, stammten die Aufnahmen aus dem Vorjahr. Die Mitglieder der Hysteria sollen laut Veranstalt­er Udo Guggenbich­ler des Balls verwiesen worden sein, „sie bekommen selbstvers­tändlich das Geld für die Karten zurück.“

Die Demonstrat­ion verlief trotz der großen Teilnehmer­zahl sehr ruhig. Wie die Polizei mitteilte, kam es zu keinen Festnahmen. Zum Abschluss der Demo-Kundgebung gegen 22 Uhr hörten die Teilnehmer Bob Marleys „One Love“. Etwa zeitgleich wurden die Ballbesuch­er in der Hof burg mit dem Lied „Die Gedanken sind frei“beschallt. Anders als im Vorjahr spielte es zum Einzug der Burschensc­haften nicht die Kaiserhymn­e – besser bekannt als deutsche Nationalhy­mne – sondern das Studentenl­ied „Gaudeamus igitur“.

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