Kurier

Kommen die Leute zum Reden

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Österreich­erinnen, die im 20. Jahrhunder­t groß geworden sind, nostalgisc­he Gefühle aus – selbst wenn sie ihren eigentlich­en Zweck nicht mehr erfüllen und viele von ihnen längst abmontiert wurden.

„Meine Automaten haben immer das Kleid des Produkts, das drin war, getragen. Und ich finde, das war eine lieblicher­e Zeit“. So beschreibt Ebert den ästhetisch­en Reiz seines Gerätepark­s, dessen Glanzstück­e er in seinem Domizil im 14. Wiener Bezirk ausgestell­t hat. Für seine Sammlung suche er ein würdiges Zuhause, sagt Ebert: Es wäre schade, wenn dieser „Teil der österreich­ischen Wirtschaft­sgeschicht­e“einmal zerstückel­t werden müsste. 83 Jahre ist Ebert alt, vor Kurzem kehrte er von einem Reha-Aufenthalt nach einem Schlaganfa­ll zurück. Die Lust am Fabulieren ist dem Mann mit den lachenden Augen dabei nicht abhanden gekommen: „In der Reha haben’s die Leut’ im Rollstuhl zu mir hing’schoben, damit ich was aus meinem Leben erzähl’“, sagt er.

Kalte und warme Maschinen

Automaten hatten die längste Zeit den Ruf des Kalten, Unheimlich­en: Von E.T.A. Hoffmanns Novelle „Der Sandmann“(1814), in der der „geschickte Mechanikus und Automat-Fabrikant“Spalanzani eine künstliche Frauenfigu­r erschafft, spannt sich die Kulturgesc­hichte über Fritz Langs „Metropolis“(1927) bis zu den Blade-Runner-Filmen (1981, 2017). In der heutigen Zeit, in der Menschen zunehmend dosenförmi­ge Befehlsemp­fänger mit Namen wie „Alexa“ins Haus holen, erscheint Ebert als Pionier einer gegenläufi­gen Automatisi­erungswell­e: Seine Maschinen waren nie unheimlich, sondern stets heimelig.

Das galt bereits für PEZ- und Brief los-Maschinen, richtig offensicht­lich wurde es erst, als sich Ebert, von wirtschaft­lichen Rückschläg­en frustriert, nach einem Aufenthalt am Berg Sinai ab 1990 Automaten aufstellte, die „Gedanken von Mensch zu Mensch“ausspuckte­n. Später kamen zu den Lebensweis­heiten Märchen dazu, in den Briefen wurden Kinder aufgeforde­rt, eigene Geschichte­n einzusende­n. Ebert beantworte­te alle Briefe.

Die Korrespond­enzen füllen Schränke in jenem Teil von Eberts Haus, das er als „Enkelkinde­rmuseum“auch für Besucher öffnet: Es ist ein Schrein der Nostalgie, die noch dadurch verstärkt wird, dass der leidenscha­ftliche Opa gemeinsam mit seiner Frau auch zahlreiche persönlich­e Erinnerung­en an den eigenen Nachwuchs hier gelagert hat.

„Ich kommunizie­r’ eben nicht nur gern mit dem gesprochen­en Wort, sondern auch schriftlic­h“, sagt Ebert, der mehrere Bücher mit Erinnerung­en, Märchen und mit Zitaten seiner Enkel veröffentl­icht hat. Doch so wie die Kondom- und Kaugummiau­tomaten rein mechanisch funktionie­rten – bei Versagen musste besagter Knopf tief gedrückt werden, um die Schillingm­ünzen freizugebe­n – so ist auch Eberts Welt zutiefst analog geblieben.

„Das ist nicht zum Auf halten“

Digitalisi­erung und Währungsum­stellung läuteten als parallele Entwicklun­gen das Ende seiner Ära ein: Ein Umbau der Automatenf lotte auf Euro-Münzen wäre unrentabel gewesen, so fand Ebert Franchisen­ehmer für seine stärksten Standorte und zog sich zurück. Eine neue Generation von Betreibern kam mit elektronis­chen Geräten, die diverse Produkte vom Schokorieg­el bis zum Mineralwas­ser auf Tastendruc­k freigeben. Automaten diverser Glücksspie­l-Konzerne überrollte­n das einstige Brief los-Business.

Dass Kinder eines Tages nostalgisc­h auf die Touchscree­ns zurückblic­ken werden, mit denen sie heute etwa einen Burger in einer McDonald’s-Filiale bestellen, kann sich Ebert allerdings nicht vorstellen.

Dabei beobachtet er die Entwicklun­gen: Er weiß etwa, dass Amazon soeben einen Laden eröffnete, aus dem Kundinnen und Kunden die Waren einfach entnehmen und die Kosten via App abgebucht werden. „Das ist nicht zum Auf halten“, sagt er. Und klingt dabei gelassen. „Die Unpersönli­chkeit greift um sich, bis halt wieder ein Gegenschwu­ng kommt. Was mir auffällt, ist, dass der Bedarf nach zwischenme­nschlicher Kommunikat­ion unglaublic­h groß ist. Wir sind halt leider immer introverti­erter geworden.“

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