Ewigen Leben träumen „An Unsterblichkeit glaube ich nicht“
Nachgefragt 1. Werden wir für immer leben?
Wie viele Jahre könnte der Mensch durch neue Techniken künftig gewinnen? Darüber sprach der KURIER mit Univ.Prof. Markus Hengstschläger, Leiter des Instituts für medizinische Genetik, MedUni Wien. KURIER: In den USA, im Speziellen im Silicon Valley, wird viel Geld investiert, um die Forschung an lebensverlängernden Maßnahmen voranzutreiben. Das geht bis zur Vision von Unsterblichkeit. Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass das real wird? Univ.-Prof. Markus Hengstschläger: Ray Kurzweil, Leiter der technischen Entwicklung bei Google, gemeinsam mit anderen, diskutiert immer wieder das Konzept einer möglichen Immortalität des Menschen. Und mittlerweile wurden viele Leute überzeugt, viel Geld in diese Forschung zu stecken. Selbst wenn wir einmal Gene mit Hilfe von Genome Editing, der Genschere CRISPR/Cas 9
verändern und wenn wir flächendeckend Stammzellentherapien anbieten können, um Organe zu regenerieren oder Nanomaschinen durch unser Blutsystem geschickt werden, wird das zwar das Leben verlängern. Aber an Unsterblichkeit glaube ich nicht. Und an eine Lebensverlängerung – in Richtung 150 Jahre?
Da wird es interessant, das wird derzeit viel diskutiert. Über viele Jahre wurde gesagt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen immer weiter steigt. Nicht in der Dritten Welt, wegen der schlechteren medizinischen Versorgung, aber in Europa oder USA. Ob es wirklich vorstellbar wird, dass wir eines Tages 150 Jahre alt werden, wird wesentlich davon abhängen, was in den nächsten 150 oder 200 Jahren technisch alles möglich sein wird. Das würde sich aber nicht jeder leisten können?
Yuval Harari spricht in seinem Buch „Homo Deus“davon, dass es vielleicht Supermenschen geben wird, die sich alles technisch Mögliche zunutze machen werden. Ob die durchschnittliche Lebenserwartung dadurch steigen wird, wird aber vielleicht auch davon abhängen, wer sich das leisten können wird. Außerdem: Irgendwie wirkt der Mensch in unseren Breiten mit seinen neuen Lebensgewohnheiten all dem auch entgegen. Wir haben zu viele übergewichtige Kinder, wir haben immer noch nicht das Thema Rauchen vom Tisch, Alkoholismus ist immer noch weit verbreitet u.v.m.. Trotz all der vielleicht einmal möglichen Supertechnologien, sollten wir uns gesellschaftspolitisch darauf einstellen, dass auch die Eigenverantwortung wieder mehr in den Vordergrund muss. Vor 200 Jahren wurde der Roman Frankenstein veröffentlicht, Visionäre träumen von Mensch-Maschi- ne-Wesen. Wie gefährlich ist das?
Künstliches Leben auf niedrig-molekularer Ebene, etwa in Form von Viren oder Bakterien, zu erschaffen, indem man genetische Informationen am Computer zusammenwürfelt und auswertet, ist das eine. Einen Menschen aufgrund seiner genetischen Information zu erzeugen ist etwas ganz anderes. Da sind wir beim Thema Transund schließlich Posthumanismus.
Die transhumanistische Ära hat schon begonnen. Wenn Sie in der Medizin das Ziel haben, den Ursprungszustand wiederherzustellen, der durch Krankheit verloren gegangen ist, dann ist das noch nicht Transhumanismus. Immer dann, wenn es heißt, da geht ein bisserl mehr, ist es das vielleicht schon.
Ein Beispiel aus der Genetik: Wenn durch somatische Gentherapie eine Muskelerkran- Univ.-Prof. M. Hengstschläger kung therapiert werden soll, damit die Muskulatur wieder stärker wird, wird der Ursprungszustand wiederhergestellt. Wenn man aber das Bisschen mehr macht, damit der Betroffene nicht mehr so viel zu trainieren braucht– Stichwort Gendoping – ist das für mich der Anfang von Transhumanismus. Das gilt auch bei Medikamenten wie zum Beispiel Ritalin, mit dem sich heute viele Menschen dopen. Es existiert die ethische Gefahr, dass sich Menschen dadurch Vorteile schaffen können, im Sinne einer Optimierung. Auch wenn Sie nicht an Unsterblichkeit glauben: Würden Sie ewig leben wollen?
Nein. Alle Werte, die den Menschen zum Menschen machen – Achtung vor anderen, Toleranz, Mitgefühl, Vertrauen etc. – projizieren sich irgendwie auch auf seine Endlichkeit. Ich könnte dann sagen, das mache ich alles später, irgendwann. Das wäre gesellschaftlich ein Leben, das für mich keinen Sinn macht.