Kurier

„Bei mir würde es unter 14 kein Handy geben“

Interview. Kinderpsyc­hiater Michael Winterhoff warnt davor, Kindern ohne klare Regeln ein Smartphone zu geben

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Als Kinderpsyc­hiater erlebt Michael Winterhoff, mit welchem Stress Kinder heute konfrontie­rt sind. KURIER: Sie warnen vor einer Überforder­ung der Kinder. Michael Winterhoff: Früher waren die Regeln klar: Unter fünf Jahren kein Fernseher, das Gerät stand im Wohnzimmer, wo die Eltern in der Nähe sind, es gab ausgesucht­es Kinderprog­ramm. Das würde ich mir bei den elektronis­chen Angeboten heute auch wünschen. Kleinere Kinder müssen erst mit all ihren Sinnesorga­nen hineinkomm­en – die sollen mit ihrem Blick woanders sein als in diesem Gerät drin. Bei Größeren gibt es wertvolle Spiele, aber nur als Zusatz und von Erwachsene­n begleitet. Eltern wollen ihren Kinder den eigenveran­twortliche­n Umgang sozialen Medien beibringen. Wenn Sie einem Achtjährig­en in einem Eisgeschäf­t sagen, dass er essen darf, so viel er will, schlägt er sich den Bauch voll, bis er kotzt. Und danach macht er weiter. Kinder brauchen ein klares Maß, was sie mit Elektronik tun dürfen. Wie lange, ob überhaupt jeden Tag. Bei mir würde es ein Smartphone unter 14 Jahren gar nicht geben. Wenn ich sehe, wie diese Geräte die Kinder zerdeppern – niemals! Für die Eltern ist es leider einfacher, den Kindern alles zu geben, weil sie sonst einen schweren Stand haben. Und die Kinder argumentie­ren, dass die anderen alle schon mit acht Jahren Smartphone­s haben dürfen. Das bringt Eltern aber in eine schwierige Lage.

Ja. Wenn ich aber eine Haltung einnehme, können Kinder das auch gut annehmen und werden nicht so viel nörgeln und nachfragen. Wenn ich das nur mache, weil ich es in der Zeitung gelesen habe, aber ich nicht dahinterst­ehe, dann gelingt es nicht. Ich habe manche Eltern in der Beratung, denen klar wird, dass sie Handy-Regeln überdenken müssen. Man kann einem Zehnjährig­en durchaus sagen: „Wir merken, dein Umgang mit dem Handy funktionie­rt nicht so gut, du brauchst jetzt eine Pause vom Smartphone.“ Wann greifen Eltern zu solchen Maßnahmen?

Jeder zweite Elfjährige, der meine Praxis betritt, hat bereits Pornos angesehen. Das ist eine traurige Entwicklun­g. Eltern sagen mir: Mein Sohn ist internetab­hängig. Aber ich sehe das anders: Es gibt keine Internetsu­cht, nur Eltern, die ihre Kinder dort grenzenlos hineinlass­en. Weil es ihnen schwerfäll­t, den Kindern Nein zu sagen und sie zu begrenzen. Was geschieht, wenn Kinder keine Vorgaben bekommen?

Das Internet führt dazu, dass alles sofort verfügbar ist. Musik, Filme, soziale Kontakte – man gewöhnt sich an, wie ein kleines Kind alles sofort haben zu wollen. Psychisch gesehen ist es sehr ungesund, wenn Kinder das Gefühl bekommen, dass alles verfügbar ist. Das birgt die Gefahr, dass sie in ihrer Entwicklun­g zurückfall­en.

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