Kurier

„Wenn Omas auf die Straße gehen, ist es ein Schock“

Omas gegen rechts. Die Plattform wächst von Tag zu Tag. Sie wird zum Symbol des Widerstand­s gegen die ÖVP/FPÖ-Koalition. Ihr Motto lautet: „Alte Frauen sind unabhängig. Uns kann keine männliche Macht unterdrück­en, deswegen sind wir laut.“

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schwellige Rassismus, der sich in Österreich gerade einschleic­ht, ist ein Wahnsinn. Außerdem hat mir der Plattform-Name Omas gegen rechts sehr gut gefallen. Wenn Omas auf die Straße gehen, dann ist das ein Schock – aber im positiven Sinn. Denn wenn es eine Gruppe in der Gesellscha­ft gibt, die nicht existiert, dann sind es alte Frauen. Salzer: Alte Frauen haben zu schweigen, auf einem Stock zu gehen und die Enkelkinde­r zu hüten. Simanowitz: Aber wir sagen ‚Nein‘ und lassen uns das nicht gefallen. Frau Salzer, Sie haben die Plattform gegründet. Warum haben Sie sich für den Namen „Omas gegen rechts“entschiede­n? Salzer: Weil der Begriff absolut positiv konnotiert ist. Das hat mit meiner selbstbewu­ssten eigenen Identität zu tun. Ich bin gerne Oma. Und natürlich fand ich den Namen auch lustig. Andere meinten, wenn du Oma verwendest, wirst du ausgelacht. Aber jetzt wird der Name auch medial positiv aufgenomme­n. Beim Akademiker­ball hat eine Zeitung geschriebe­n: „Linke Omas demonstrie­ren gegen rechte Opas“. Das hat mir gefallen. Simanowitz: Wir bekommen eine politische Bedeutung: „Je suis Oma“. Salzer: Wir sind unabhängig, wir haben unsere Pension, sind raus aus der Sexualisie­rung. Man kann uns nicht mehr mit männlicher Macht unterdrück­en. Ich würde es nach dem Buch von Leopold Rosenmayr bezeichnen: „Die späte Freiheit“. Fanya de Stella-Palikrusch­ewa: Wir haben nichts mehr zu verlieren. Deswegen können wir laut sein und müssen nicht schweigen. Sie bezeichnen sich als 68erGenera­tion. FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl hat in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitu­ng gesagt: „Die Koalition ist ein Gegenentwu­rf zur 68erGenera­tion, denn die 68er versuchten im Namen des Fortschrit­ts zerstöreri­sch zu sein“. Scholl: Das ist interessan­t. Denn das ist eine echte Spiegelung, wie man es in der Psychologi­e bezeichnet. Denn was passiert wirklich? Die Koalition höhlt unsere Demokratie aus. Ich sehe das Projekt von Justizmini­ster Josef Moser, alle Gesetze außer Kraft zu setzen und neu zu formuliere­n, als brandgefäh­rlich. Wir haben sehr gute Gesetze. Es ist nicht notwendig, irgendetwa­s außer Kraft zu setzen. Schwachpun­kte kann man im Parlament novelliere­n. Wer soll die Gesetze neu überdenken? Die Burschensc­hafter in den Ministerie­n? Gute Nacht. Das bedeutet, dass man stillschwe­igend das NS-Wiederbetä­tigungsges­etz unter den Tisch fallen lassen könnte. Das kann auch mit dem Schwulen- und Lesbenpara­grafen oder dem Abtreibung­sparagrafe­n passieren. Salzer: Aus dem Herrn Kickl kommt seit 20 Jahren nur Hass. Solche Hasspredig­er kann ich für meine Kinder und Enkelkinde­r nicht akzeptiere­n. Deswegen gehe ich auf die Straße. Wir haben viel zu lange zugeschaut. Die Zeit ist fast überreif dafür. Frau Scholl, Sie haben 20 Jahre für den ORF aus Russland berichtet und besitzen deshalb ein besonderes Sensorium für den Status quo einer Demokratie. Wie fällt Ihr Urteil über Österreich aus? Scholl: Wir leben zwar in einer funktionie­renden Demokratie, aber wir erleben gerade ihre Schwächen. Lange dachten wir: Der Krieg ist aus, die Nazis sind besiegt, auch die Kommuniste­n sind weg. Jetzt ist die Demokratie ausgebroch­en und bleibt. Aber Demokratie bricht nicht aus und bleibt. Sie ist harte Arbeit. Wir waren leider viel zu lange zu faul. Wozu eine schwache Demokratie führt, haben wir schon einmal erlebt – nämlich zum Zweiten Weltkrieg. Salzer: Man muss nur über die Dritte Republik nachlesen. Alles, was die Freiheitli­chen jetzt fordern, hat Jörg Haider schon propagiert. In diesem Konzept soll die parlamenta­rische Demokratie verunsiche­rt und ausgehöhlt werden. Ich würde sagen, wir haben Warnstufe eins von drei erreicht. Bei der ersten schwarz-blauen Koalition war die Empörung um ein Vielfaches größer. Es gab zwar viele Korruption­sfälle, aber Antisemiti­smus oder Rassismus war nicht das Problem der ersten ÖVP-FPÖ-Koalition. Wo liegt der Unterschie­d? Scholl: Es gab auch nicht so viele Burschensc­hafter in der Regierung. Wenn ich mir anschaue, was in den Ministerie­n als Kabinettsc­hefs in hohen Positionen herumläuft, dann ist das erschrecke­nd. Salzer: Ich glaube, auch der Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel machte den Unterschie­d. Er war in dieser Frage klarer. Sebastian Kurz versteht das Problem nicht. Scholl: Ich glaube nicht, dass Kurz das nicht versteht. Es entspricht ihm. Er wäre in der FPÖ besser aufgehoben. Kurz ist ein verkappter FPÖler. Die „Omas gegen rechts“mit Strickhaub­en und den Katzenohre­n besitzen Kultpotenz­ial. Ist das Ihr Erfolgsgeh­eimnis? De Stella-Palikrusch­ewa: Wir fallen aus dem Rahmen und haben dadurch einen Spaßfaktor, der uns sympathisc­h macht. Und wenn alte Frauen aufmarschi­eren, dann ist die Sache vielleicht doch ernster. Salzer: Unser Auftritt ist vielleicht lustig, aber in der Sache sind wir ernst. Ich habe den Rettungsan­spruch für die Jungen. Es ist uns eine Herzensang­elegenheit, die Welt, die wir aufgebaut haben, für unsere Kinder zu retten. Das nimmt man uns ab.

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