Kurier

Falscher Geniekult und fehlende Strukturen

- FORTSETZUN­G VON SEITE 33

Hier hängt die Kultur anderen Bereichen auch fatal hinterher: Das Auftreten als übermächti­ger Manager, der sein Team zum Erfolg tyrannisie­rt, würde in weiten Bereichen des Wirtschaft­slebens schlicht als Inkompeten­z gewertet werden. In der Kultur, bei Regisseure­n, Dirigenten, Starkünstl­ern, aber vermeint man in derartigem cholerisch­en Mikromanag­ement immer noch Spuren von besonderer Genialität zu orten, in denen sich die Gegenüber – Kulturpoli­tiker, aber auch Schauspiel­er – gerne sonnen.

Die Debatte zu führen, wie man Kulturprod­uktion und moderne Menschenfü­hrung in Einklang bringt, würde der Kulturwelt überaus guttun. Das könnte sich durchaus auch an künftige Bühnenchef­s richten – wird aber hier in der Koppelung an Hartmann unterspiel­t.

Eine Neuverhand­lung der Machtverhä­ltnisse, und insbesonde­re auch der Frage, wie diese Machtausüb­ung in einem produktive­n künstleris­chen Prozess aussehen könnte, ist hochaktuel­l. Hierfür braucht es vor allem auch moderne Strukturen in den Institutio­nen: Etwa Ansprechpa­rtner, die sich bei Machtmissb­rauch rasch an die Seite der Schwächere­n stellen können. Erstaunlic­h in der Burgtheate­rdiskussio­n bleibt, dass sich insbesonde­re der mächtige und jeden Rückhalts des Publikums sichere Burgadel dem Direktor so unterlegen gefühlt hat, dass erst Jahre später ein Aufbegehre­n möglich scheint.

Neger sagt man nicht

Der Kulturwelt – und uns allen – wird aber niemand ersparen können, sich auf eine gemeinsame verbale Ebene zu einigen. Was man sagen kann und welche Zoten man reißen sollte, ist vom Gegenüber abhängig und daher auch etwas, das immer wieder neu bedacht werden muss.

Dabei ist es prinzipiel­l ganz einfach: Sexwitze sind in Ordnung, wenn sie fürs Gegenüber in Ordnung sind; wenn sie kein verbaler Übergriff, sondern eine Pointe sind. Das ist weit weniger schwierig festzustel­len, als alle in der beidseitig hysterisch geführten Debatte über politische Korrekthei­t tun.

Und ja, wenn sich ein Choreograf „Tanzneger“nennt, das lehrte die US-Diskussion über die Selbstanei­gnung rassistisc­her Begriffe durch Minderheit­en, kann es trotzdem daneben sein, wenn ein nicht Betroffene­r diese Diktion übernimmt. Komplizier­t? Ja. Aber zumutbar.

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