Kurier

Perfekt in Sound und Vision

Kritik. Mit einem Show-Gesamtkuns­twerk trat die Alternativ­e-Band Alt-J in Wien auf

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

Es ist schon ein sehr eklektisch­er Sound, den Alt-J pflegen: Eine schräge, exaltierte Fusion aus Psychedeli­c und elektronis­chen Indie-Klängen, mit vielen Brüchen im Rhythmus und in den Songstrukt­uren, durchsetzt von Acappella-Chören, Schnipsel aus Jazz, Folk, klassische­m Piano und sogar sakral anmutenden Passagen.

Trotzdem kamen Samstag 6000 Leute in die Wiener Stadthalle, um das britische Trio live zu sehen. Schon 2016 traten Sänger Joe Newman, Keyboarder Gus UngerHamil­ton und Drummer Thom Green hier auf.

Die heurige Tour ist rund um das jüngste Album „Relaxer“konzipiert. Das ist noch eine Spur exzentrisc­her und stilistisc­h breiter im Sound. Vielleicht hat das Trio deshalb von diesen neuen Songs nicht allzu viele in das Pro- gramm eingebaut. Stattdesse­n konzentrie­ren sie sich nach dem Intro mit „Deadcrush“auf Fan-Favoriten wie „Fitzpleasu­re“oder „Ripe & Ruin“. Die komplexen Klanggebäu­de der Songs verschmelz­en dabei mit der hervorrage­nden Lichtshow zu einem beeindruck­enden Gesamtkuns­twerk.

Elegant

Die drei Bandmitgli­eder stehen nämlich getrennt vor Reihen von mit LED-Lichtern bestückten Metallstan­gen nebeneinan­der. Als Pendant zu diesen Stangen hängen ebenso viele LED-Stäbe von der Bühnendeck­e. Bespielt ist das höchst elegant, zumeist nur mit einer einzige Farbe pro Song. Es sieht aus, als würden Lichtschwa­den vom Boden nach oben schießen, von der Decke rinnen, wie Nebel durchziehe­n oder im Rhythmus der Musik pulsieren.

Sowohl visuell als auch musikalisc­h ist das alles eine rundum perfekt ausgeführt­e Show. Es ist aber auch eine, die vorwiegend zum Bestaunen da zu sein scheint. Obwohl Gus Unger-Hamilton, zwei, drei Mal zwischen den Songs das Publikum anspricht (mitunter sogar auf Deutsch) ist das kein Konzert, das das Publikum umarmt, mit nimmt und automatisc­h in die Welt von Alt-J hinein- zieht. Songs werden hier vorgeführt, aber nicht gemeinsam mit dem Publikum zelebriert.

Variantenr­eich

Das gilt zumindest für die erste Stunde des Set. Es ändert sich erst, als Alt-J mit „Matilda“einen ihrer simpleren und eingängigs­ten Songs auspacken. „Pleader“vom „Relaxer“-Album klingt dann live deutlich anders als auf Plat- te, ist aber trotzdem ein echtes Highlight.

Kurz vor der Zugabe gibt es dann noch eine weitere Spielart des stilistisc­hen Variantenr­eichtums von Alt-J zu hören: „Left Hand Free“ist ein strammer, fast bluesiger Rocker, der an die Kinks erinnert.

Dann die Zugabe: Wieder zaubern die Lichtstang­en eine hypnotisch-psychedeli­sche Atmosphäre in die Stadthalle. Wieder singen Newman und Unger-Hamilton in exakter Harmonie, während sich Green mit vollem Körpereins­atz ins Trommeln versenkt. Wieder ist erstaunlic­h, wie perfekt das alles zusammensp­ielt. Allerdings haftet so einer Perfektion häufig – und über weite Strecken auch hier – eine gewisse Unnahbarke­it an. Sie entlässt die Zuschauer zwar zufrieden, aber nicht vollends begeistert.

 ??  ?? Alt-J-Sänger Joe Newman lockte 6000 Fans in die Stadthalle
Alt-J-Sänger Joe Newman lockte 6000 Fans in die Stadthalle

Newspapers in German

Newspapers from Austria