Feuerwehr fordert Strafe für Gaffer
Innenministerium prüft
Nachdem bei einem schweren Unfall in Graz Dutzende Schaulustige um das Wrack standen und knipsten oder filmten, platzt dem Einsatzleiter der Feuerwehr der Kragen: Er fordert gesetzliche Handhabe gegen die sogenannten „Handy-Gaffer“, am besten Geldstrafen. „Das würde sich herumsprechen“, hofft Brandrat Dieter Pilat und setzt auf Abschreckung. Noch gibt es diese Möglichkeit für die Exekutive in Österreich nicht, die Polizei kann Beobachter bloß bei Behinderung der Einsatzkräfte oder Selbstgefährdung wegweisen. Das Innenministerium nimmt die zunehmenden Beschwerden der Helfer aber ernst und prüft. Denn der Grazer Zwischenfall ist längst kein Einzelfall mehr.
Dem Grazer Feuerwehrmann Dieter Pilat reicht es. „Dieser Voyeurismus ist schockierend und pietätlos“, sagt der Oberbrandrat und meint damit einen Vorfall am Wochenende, den er als Einsatzleiter begleitete: Mehrere Dutzend Menschen seien mit gezückten Smartphones nahe einer Unfallstelle in Graz gestanden, hätten das Wrack gefilmt und geknipst − während Helfer versuch- ten, drei Menschen zu retten.
Pilat fordert deshalb gesetzliche Handhabe gegen die gemeinhin als „SmartphoneGaffer“bezeichneten Schaulustigen: „Wenn eine Geldstrafe verhängt werden würde, spricht sich das herum.“
Der Ärger von Einsatzkräften über diese Art von Beobachtern wächst zusehends. Zumal es nicht nur beim Zuschauen bleibt. Denn erstellte Videos und Fotos werden in sozialen Medien verbreitet. Feuerwehren in Niederösterreich etwa reagierten mit mobilen Sichtschutzwänden auf die Smartphone-Voyeure; die Berufsrettung Wien bittet unter #habAnstandhaltAbstand um Respekt.
Pilat ist der erste Feuerwehrvertreter, der jedoch einen Schritt weiter geht: „Natürlich kann die Polizei Leute wegweisen, wenn sie uns bei der Arbeit behindern oder sich selbst in den Gefahrenbereich begeben“, schildert der Grazer. „Aber derjenige geht dann einfach zehn Meter weg, holt sein Handy heraus und filmt.“Ähnlich dem „Gaffer-Paragrafen“in Deutschland wünscht sich der Grazer eine Möglichkeit für die Exekutive, Geldstrafen zu verhängen. 20 bis 1000 Euro kostet Gaffen, eingestuft wird dies als Ordnungswidrigkeit.
Die österreichische Polizei hat diese Möglichkeit derzeit nicht. Doch auch im Innenministerium ist man angesichts der zunehmenden Beschwerden von Einsätzkräften alarmiert. „Es gibt das Bestreben seitens des Ministeriums, rechtliche Maßnahmen zu setzen, wenn es sein muss“, betont Sprecher Alexander Marakovits. Wie diese Lösung aussehen soll, werde erst geprüft. Natürlich orientiere man sich dabei „an Regelungen in anderen Ländern“.
Zivilklage möglich
Eine rechtliche Handhabe gibt es allerdings schon jetzt – wenn auch über einen Umweg. Wer gegen seinen Wunsch fotografiert wird und sein Bild auf irgendeiner Plattform veröffentlicht entdeckt, kann dagegen zivilrechtlich klagen. „Man macht sich straf bar, wenn man das Bild eines Unfalls veröffentlicht und Menschen darauf erkennbar sind“, warnt August Bäck, Sprecher des Roten Kreuzes Steiermark. Er appelliert aber auch an das Gewissen jener, die einen Einsatz von Helfern festhalten. „Es hat immer Schaulustige gegeben, früher auch. Aber was zunimmt, ist die fotografierende Masse. Und das ist unmoralisch.“Denn hinter jedem Unfall steckten Schicksale: „Opfer zu fotografieren, ist einfach verwerflich.“
Veränderte Lage
Auch Wolfgang Voelckel, dem Präsidenten der österreichischen Gesellschaft für Notfall- und Katastrophenmedizin, bereitet die derzeitige Situation durchaus Sorgen. „Neugierige hat es immer gegeben. Aber die Situation hat sich verändert, seit jeder ein Handy mit Fotofunktion bei sich hat“, be- dauert der Mediziner. Er habe außerdem den Eindruck, dass eine Tendenz zu mehr Gewalt aus dem anglo-amerikanischen Raum nach Europa schwappe: Dort müssten Rettungsleute teilweise schon mit Schutzwesten Dienst tun. So weit ist es in Österreich zum Glück nicht, doch auch die Helfer beugen vor: „Wir haben kürzlich mit der Salzburger Polizei Selbstschutz und Selbstverteidigung üben dürfen.“
Der Notfallmediziner bemerkt aber auch eine weitere Veränderung: „ Natürlich gibt es gerade am Land auch hilfreiche Menschen, die bei einer Bergung mit anpacken. Aber die Meldungen zeigen, dass der Respekt vor Autorität, auch der Polizei, generell abnimmt.“
Für Einsatzkräfte hieße das, zu lernen, mit „mehr Aufmerksamkeit auf die Umgebung in eine Situation hineinzugehen und Deeskalation zu üben“.
„Der heutzutage leider normal gewordene Voyeurismus ist schockierend.“Dieter Pilat Feuerwehr Graz