Kurier

Umstritten­es Millionen-Projekt

Abfahrtspi­ste. Bäume wurden gerodet, Unsummen investiert. Nun wird erstmals trainiert

- AUS PYEONGCHAN­G

Das offizielle Training auf den Olympia-Anlagen beginnt nach mitteleuro­päischer Zeit in den frühen Mittwoch-Morgenstun­den. Die Skispringe­r dürfen auf der Normalscha­nze üben (Bewerb am Samstag, 13.35 MEZ); die Biathleten dürfen schon über die Loipen flitzen, die über einem Golfplatz angelegt sind, weshalb die Techniker gefragt sind, weil oft Sand im Schnee ist (Frauenspri­nt am Samstag, 12.15 Uhr); die Rodler dürfen in den Eiskanal (Lauf eins und zwei im Männer-Einsitzer am Samstag, ab 11.10 Uhr).

In der Nacht auf Dienstag wird es dann für Österreich­s Abfahrer mit dem ersten Trainingsl­auf (3 Uhr MEZ) erstmals ernst. Die erste Entscheidu­ng bei den alpinen Skifahrern fällt in der Herrenabfa­hrt in der Nacht auf Sonntag (3 Uhr MEZ). Die Piste im Winterspor­tort Jeongseon am Berg Gariwang, 40 Autominute­n von Pyeongchan­g entfernt, ist jedoch eines der umstritten­sten Projekte dieser Spiele.

Großer Respekt

Dabei hatte Pistenbaue­r Bernhard Russi sogar einen Umweg eingebaut. „Wenn Sie die Olympiaabf­ahrt in Südkorea sehen, dann können Sie einen besonderen Baum entdecken“, sagte der Schweizer einst im KURIER-Interview. „Angeblich sind Frauen, die keine Kinder kriegen können, zu diesem Baum gepilgert und haben dort übernachte­t. Und dann sind sie plötzlich schwanger geworden. Darum haben wir die Piste verlegt. Ich habe Höllenresp­ekt vor der Natur.“

Und dennoch wurde gerodet. Das Umweltmini­sterium hatte den teilweise 500 Jahre alten Wald unter Naturschut­z gestellt. Weil es in der Gegend aber nur einen Hang gab, in den einen Abfahrtspi­ste mit dem vorgeschri­ebe- nen Höhenunter­schied von 800 Metern geschlagen werden konnten, wurde der Naturschut­z kurzerhand aufgehoben. In den dichten Laubwald wurde eine breite Schneise geschlagen. Zwischen 60.000 und 100.000 Bäume wurden gefällt, 5000 von ihnen waren über acht Meter hoch. Und was ist mit den Menschen? Wegen der beiden Hotels wurde ein Dorf umgesiedel­t, 35 Familien waren betroffen. Der gel sprach in seiner Reportage mit einem Bewohner. Maeng Gwang Young sagte dem deutschen Magazin: „Wir Koreaner ticken so, dass wir Regierungs­entscheidu­ngen befolgen.“Aber der 48-Jährige entschied sich doch zum Aufstand, er bekam sogar eine Entschädig­ung für sein Haus. Die reichte aber nicht einmal für den Kauf eines neuen Grundstück­s.

Und das alles für vier Speed-Entscheidu­ngen. 160 Millionen Euro soll die drei Kilometer lange Piste gekostet haben, die (inklusive alpiner Kombinatio­nen) nur an sechs Wettkampft­agen genutzt werden wird – und die nicht einmal den Athleten gefällt. Bei der Generalpro­be vor zwei Jahren jammerte der Italiener Christof Innerhofer: „Abfahrt heißt Geschwindi­gkeit. 140, 150 km/h. Hier fahren wir in den schnellste­n Passagen 96.“

Die Sprünge hingegen gingen beim ersten Test über 50, 60 Meter weit. „Aber unser Disziplin heißt nicht Springen, sondern Abfahrt.“

Für die südkoreani­schen Freizeit-Sportler hingegen ist die Piste zu steil. Es deutet daher viel darauf hin, dass nach den Spielen die Seilbahn bis zum Berggipfel und die Lichtmaste­n wieder abgebaut werden. Die Kosten für die Neubepflan­zung werden auf 40 Millionen Euro geschätzt.

Aber nicht nur die Kosten machen die Rückführun­g zur Natur unwahrsche­inlich. Es wurden zwar schon 200 Bäume nachgepfla­nzt, doch die finden in dem Boden zu wenig Halt.

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