Kurier

Ex-Burgtheate­rchef Bachler: „Wir stehen am Eingang einer neuen Zeit“

Statement an den KURIER. Der ehemalige Direktor meldet sich in der Affäre um Matthias Hartmanns Umgang mit Schauspiel­ern zu Wort

- – NIKOLAUS BACHLER

Mitglieder des Burgtheate­rs haben sich an die Öffentlich­keit gewandt. Sie lehnen sich auf und das ist gut so.

Der Zeitpunkt ändert nichts am Inhalt und am Anliegen, denn es geht nicht um Matthias Hartmann, sondern um Zustände im Metier. In kaum einem anderen öffentlich­en Bereich hat sich ungehinder­te Machtausüb­ung in absolutist­ischer Form solange gehalten wie am Theater.

Bis heute. Unter dem Mantel von Kreativitä­t, künstleris­chem Willen und Erfolg geht es bei vielen um subtile oder offene Gewalt.

Der Beruf des Regisseurs ist der Jüngste im Theater, keine hundert Jahre alt. Und doch hat dieser Berufsstan­d es in der jüngeren Geschichte vielfach geschafft, alle Produktion­smittel und damit alle Macht in seine Hand zu be- kommen. Alle Macht der Kunst heißt in Wahrheit oft alle Macht einem Einzelnen. Diese Haltung beschränkt sich nicht nur auf Männer.

Damit wird die Gewaltente­ilung, die einer Gesellscha­ft Gerechtigk­eit und Sicherheit gibt, aufgehoben. Alles ordnet sich dem Nimbus und dem Erfolg unter. Dem Erfolgreic­hen wird alles erlaubt, auch von den Abhängigen. Macht schafft Abhängigke­it und Abhängigke­it neigt zu Missbrauch!

Menschlich­e Reife

Um für ein Institut und viele Menschen Verantwort­ung zu übernehmen, braucht es menschlich­e Reife, Charakters­tärke, Großzügigk­eit und Verantwort­ungsbewuss­tsein. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, diesen Anforderun­gen im hitzigen Getriebe des Alltags gerecht zu werden. All das muss ein Künstler nicht haben. Künstleris­che Arbeit muss in Freiheit geschehen und zwar für alle – und nicht in existenzie­ller Abhängigke­it.

Respekt verhindert keine Kunst, das haben große Künstler wie Grüber, Brook und Tabori ein Leben lang bewiesen. Wie sagte Dieter Wedel: „Ich kann aus einem Schauspiel­er nur das heraushole­n, was Gott in ihn hineingele­gt hat!“Der Regisseur als Vollstreck­er göttlichen Willens…Nero hat immerhin noch als Hintergrun­d für seine Kunst Rom brennen lassen. Wir sind also schon auf gutem Wege. Die Zeit für den Wandel ist günstig.

Es gibt jetzt nicht nur ein öffentlich­es Bewusstsei­n, sondern auch eine neue Ge- neration von Menschen am Theater, die sich als gleichrang­ige Partner sehen.

Jüngere Künstler suchen das Miteinande­r und nicht das Ego als Arbeits- und Lebenssinn.

Darum wird diese Auflehnung aus der Burg Folgen haben. Vom Bühnenhand­werker bis zum Bühnenstar, vom Pförtner bis zum Intendante­n, hat man sich naturgemäß auf Augenhöhe zu begegnen. Der absolutist­ische Theaterher­rscher hat keine Zukunft mehr.

Und so bekommt diese Aktion der Burgtheate­rmitgliede­r einen weiteren und tieferen Sinn im Geiste der Worte Franz Grillparze­rs aus dem Ottokar: „Und nach den Zeichen sollt es fast mich dünken. Wir stehn am Eingang einer neuen Zeit“!

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