Kurier

Asylwerber: Mehr als jede dritte Beschwerde ist erfolgreic­h

Negative Bescheide. Viele halten nicht in der nächsten Instanz

- VON RAFFAELA LINDORFER UND KATHARINA ZACH

Auf den ersten Blick sehen die Zahlen gut aus :60.048 Asyl entscheidu­ngen hat das Bundesamt für Fremden wesen undAsyl(BFA) im Vorjahr getroffen. Der Berg, der sich während der Flüchtling­swelle2015/’16angehäuf­that, ist so gut wie abgebaut. 23.628 Fälle liegen derzeit beim B FA.

Auf den zweiten Blick relativier­t sich die Erfolgsbil­anz: Drei Viertel der abgewiesen­en Asylwerber haben laut Innenminis­terium im Vorjahr Beschwerde eingelegt, aktuell werden 16.443 Personen inder Grund versorgung finanziert, die gerade auf eine Entscheidu­ng der zweiten Instanz warten.

Innenminis­ter Herbert Kickl ermahnte am Montag die Rechtsbera­ter, den Abgewiesen­en „keine falsche Hoffnungen“zu machen.

Nur: So falsch sind die Hoffnungen gar nicht, denn das Bun des v er wal tungsgeric­ht(BV wG) hat 2017 immerhin 36 Prozentd er angefochte­nenEnt scheidunge­n des BFA aufgehoben bzw. abgeändert (lt. BVwG eine Hochrechnu­ng, die endgültige Bilanz liegt noch nicht vor). Vereinfach­t heißt das: Mehr als jeder dritte Negativ bescheid wurde von einem Richter revidiert.

„Fehlerquot­e“

Nun stellt sich die Frage: Arbeitet das BFA so schlampig? Grundsätzl­ich dürfe man die 36 Prozent nicht als „Fehlerquot­e“interpreti­eren, heißt es beim BVwG, das quer durch alle Bereiche rund 32 Prozent der Behördenen­tscheidung­en abgeändert hat. Asyl ist aber der mit Abstand größte Bereich.

Oft sei es das schlicht eine Frage der Beweiswürd­igung. Etwa, dass ein Richter die Schilderun­g einer Fluchtgesc­hichte für glaubwürdi­ger hält als der Beamte vor ihm. Erkanndann­selbststän­dig Asyl bzw. subsidiäre­n Schutz oder einen Aufenthalt­stitel gewähren. Bei groben Verfahrens­fehlern wird der Fall zur Gänze an das BFA zurückverw­iesen – mit der Aufforderu­ng, nochmals zu ermitteln.

Wo genau die Fehler sind, wird nicht kommunizie­rt. Die Grünen Bundesräte David Stögmüller und Ewa Dziedzic wollen es aber genau wissen und stellen jetzt parlamenta­rische Anfragen an das Innen und Justizmini­sterium .„ Die hohe Zahl ist erschrecke­nd, wundert uns aber nicht. Immer wieder hören wir von Betroffene­n, dass zum Beispiel Fehler bei der Übersetzun­g passieren, die sich negativ auf das Verfahren auswirken“, sagt Stögmüller zum KURIER. Unter den 1381 BFAMitarbe­itern gibt es angeblich nur rund 600 so genannte „Case Owners“, die im Vorjahr 60.048 Entscheidu­ngen getroffen haben. Die Behörde müsse arbeiten wie am Fließband, lautet die Kritik. Das Innenminis­terium weist das zurück: Die Mitarbeite­r arbeiten „sehr gut“, zusätzlich­es Personals ei mittlerwei­le nicht mehr notwendig.

Stögmüller: „Asylverfah­ren sollen nicht nur schnell, sondern auch transparen­t und fair ablaufen. Deshalb wollen wir jetzt ein faktenbasi­ertes Bild darüber, wie die Behörde arbeitet und erwarten vom Innenminis­ter, dass er aktiv wird.“An den Zahlen sehe man auch, „wie wichtig das BVwG als unabhängig­e zweite Instanz ist“, betont der Grüne Bundesrat. Immerhin hängen von den Entscheidu­ngen menschlich­e Schicksale ab.

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