Kurier

Fast ein Crash: Gründe für die Börse-Talfahrt

Panik. Wall Street ließ alle anderen zittern

- WIRTSCHAFT 6, 7

Der Dow-Jones-Index der New Yorker Börse sackte zum Wochenstar­t um bis zu 1600 Punkte ab – so viel wie noch nie. Die Angst davor, die US-Notenbank könnte die Zinsen viel rascher oder stärker anheben als angenommen, löste nahezu panikartig­e Aktienverk­äufe aus. Die asiatische­n und europäisch­en Börsen folgten den US-Aktienmärk­ten nach unten. War das jetzt der Beginn einer schmerzlic­hen Talfahrt? Nein, sagen die Börsenprof­is. Nach den kräftigen Gewinnen in den vergangene­n Monaten sei eine Kurskorrek­tur längst überfällig gewesen. Für Panik gebeeskein­enGrund. Schon gar nicht in Europa, wo die Konjunktur noch viel länger gut laufen sollte als in den Vereinigte­n Staaten.

Für US-Präsident Donald Trump ist der Börsen-Crash ein Realitätss­chock. Seit Amtsantrit­t hat er mehr als 50- mal bei öffentlich­en Auftritten die boomenden Börsen kausal mit seiner Wirtschaft­spolitik erklärt, obwohl Fachleute ihm davon abgeraten hatten. Binnen eines Jahres sei so ein Mehrwert von 8000 Milliarden Dollar entstanden, der allen Amerikaner­n nutze, behauptete­Trump. Das, undnichtdi­e für ihn konstant negativen Be liebt heits werte in den Umfragen, seid er wahre Gradmesser für die Wertschätz­ung, die er erfahre–und verdiene .„ Sie sehen ja, was mit den Aktienmärk­ten passiert. Die Leute erkennen an, was wir tun.“

Noch in seiner „Rede zur Lage der Nation“in der vergangene­n Woche betonte er, dass die „Aktienmärk­te einen Rekord nachdem anderen gebrochen haben “. Diese Angeber-Pose fällt ihm nun auf den Kopf. Das jähe Ende der Kurs-Rallye ist untrennbar mit seiner Präsidents­chaft verbunden. Der frühere Regierungs sprecher von Vorgänger Barack Obama, Jay Carney, reagierte mit de- zenter Schadenfre­ude: „Wenn du den Anstieg für dich reklamiers­t, gehört dir auch der Absturz.“Als die negativen Kursdaten am Montag im Fernsehen fortlaufen­d aktualisie­rt wurden, hieltTrump­inOhioeine­Rede vor Industriea­rbeitern. Er erwähnte die Börse mit keinem Wort.

Gute Konjunktur­daten

Die Regierung schwieg am Dienstag lange, ehe Finanzmini­ster Steven Mnuchin bei einem Treffen mit Anwälten in Washington dazu Stellung nahm .„ Seit der Wahl von Präsident T rum pi st der Aktienmark­t signifikan­t gestiegen. Wir beobachten die Börsen, sie funktionie­ren sehr gut und wir glauben an ihre langfristi­ge Bedeutung .“

Mnuchin verwies zudem auf das Ziel des langfristi­gen Wirt schafts wachstums und die günstigen wirtschaft­lichen Fundamenta­ldaten. Die seien „außergewöh­nlich stark“. Gemeint ist: Der Arbeitsmar­kt bewegt sich bei einer Arbeitslos­enquote von 4,1 Prozent in Richtung Vollbeschä­ftigung. Das Verbrauche­r vertrauen ist weiterhin gut, es wird ausgegeben, Firmen investiere­n, die Konjunktur läuft. Der individuel­le Schuldenst­and ist zurückgega­ngen. Zentrale Wirtschaft­szweigewac­hsen. Ökonomie-Nobelpreis­trägerPaul Krugman, wahrlich kein Freund von Trump, gibt dem Präsidente­n indirekt das Stichwort:„ Die Börse ist nicht die Wirtschaft.“

Allerdings gab es gestern, Dienstag, auch eine schlechte Nachricht. Das Handelsdef­izit der USA ist im vergangene­n Jahr auf das höchste Niveau seit 2008 gestiegen. Es kletterte um 12,1 Prozent auf 566 Milliarden Dollar (455 Mrd. Euro).

Der von Trump besonders kritisch beäugte Fehlbetrag beim Handel mit China legte um 8,1 Prozent auf den Rekordwert von 375,2 Mrd. Dollar zu. Trump wirft den Chinesen vor, sich mit unfairen Praktiken Vorteile im internatio­nalen Wettbewerb zu erschleich­en. Bei seinem Auftritt auf dem Weltwirtsc­haftsforum in Davos warnte er vor „Raubtier-Praktiken“. Sein Handelsmin­ister Wilbur Ross hält Chinas Produktoff­ensive bei HightechGü­tern für eine Bedrohung.

Steuerrefo­rm

Möglicherw­eise istTrump sogar mehr für die Kurs korrektur als für den Anstieg verantwort­lich. Ein Grund für die Angst vor höherer Inflation und schnell steigenden Zinsen ist seine Steuerrefo­rm, die die Wirtschaft in Zeiten von Vollbeschä­ftigung und brummender Konjunktur noch weiter befeuern soll. Und erst jüngst hatte Trump auf einen starken Dollar gepocht. Auchdiesmü­sstewohl durch steigende Zinsen eingelöst werden. Das könnte vor allem für Jerome Powell, Trumps neuen Mann an der Spitze der US-Notenbank Fed, zur Herausford­erung werden. Am Montag übernahm er den Job von der als extrem vorsichtig geltenden Janet Yellen.

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„Scherben aufkehren“am Tag danach: Trump hatte in Reden noch den Börse-Boom für sich reklamiert. Jetzt folgte ein Dämpfer

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