Fast ein Crash: Gründe für die Börse-Talfahrt
Panik. Wall Street ließ alle anderen zittern
Der Dow-Jones-Index der New Yorker Börse sackte zum Wochenstart um bis zu 1600 Punkte ab – so viel wie noch nie. Die Angst davor, die US-Notenbank könnte die Zinsen viel rascher oder stärker anheben als angenommen, löste nahezu panikartige Aktienverkäufe aus. Die asiatischen und europäischen Börsen folgten den US-Aktienmärkten nach unten. War das jetzt der Beginn einer schmerzlichen Talfahrt? Nein, sagen die Börsenprofis. Nach den kräftigen Gewinnen in den vergangenen Monaten sei eine Kurskorrektur längst überfällig gewesen. Für Panik gebeeskeinenGrund. Schon gar nicht in Europa, wo die Konjunktur noch viel länger gut laufen sollte als in den Vereinigten Staaten.
Für US-Präsident Donald Trump ist der Börsen-Crash ein Realitätsschock. Seit Amtsantritt hat er mehr als 50- mal bei öffentlichen Auftritten die boomenden Börsen kausal mit seiner Wirtschaftspolitik erklärt, obwohl Fachleute ihm davon abgeraten hatten. Binnen eines Jahres sei so ein Mehrwert von 8000 Milliarden Dollar entstanden, der allen Amerikanern nutze, behaupteteTrump. Das, undnichtdie für ihn konstant negativen Be liebt heits werte in den Umfragen, seid er wahre Gradmesser für die Wertschätzung, die er erfahre–und verdiene .„ Sie sehen ja, was mit den Aktienmärkten passiert. Die Leute erkennen an, was wir tun.“
Noch in seiner „Rede zur Lage der Nation“in der vergangenen Woche betonte er, dass die „Aktienmärkte einen Rekord nachdem anderen gebrochen haben “. Diese Angeber-Pose fällt ihm nun auf den Kopf. Das jähe Ende der Kurs-Rallye ist untrennbar mit seiner Präsidentschaft verbunden. Der frühere Regierungs sprecher von Vorgänger Barack Obama, Jay Carney, reagierte mit de- zenter Schadenfreude: „Wenn du den Anstieg für dich reklamierst, gehört dir auch der Absturz.“Als die negativen Kursdaten am Montag im Fernsehen fortlaufend aktualisiert wurden, hieltTrumpinOhioeineRede vor Industriearbeitern. Er erwähnte die Börse mit keinem Wort.
Gute Konjunkturdaten
Die Regierung schwieg am Dienstag lange, ehe Finanzminister Steven Mnuchin bei einem Treffen mit Anwälten in Washington dazu Stellung nahm .„ Seit der Wahl von Präsident T rum pi st der Aktienmarkt signifikant gestiegen. Wir beobachten die Börsen, sie funktionieren sehr gut und wir glauben an ihre langfristige Bedeutung .“
Mnuchin verwies zudem auf das Ziel des langfristigen Wirt schafts wachstums und die günstigen wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Die seien „außergewöhnlich stark“. Gemeint ist: Der Arbeitsmarkt bewegt sich bei einer Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent in Richtung Vollbeschäftigung. Das Verbraucher vertrauen ist weiterhin gut, es wird ausgegeben, Firmen investieren, die Konjunktur läuft. Der individuelle Schuldenstand ist zurückgegangen. Zentrale Wirtschaftszweigewachsen. Ökonomie-NobelpreisträgerPaul Krugman, wahrlich kein Freund von Trump, gibt dem Präsidenten indirekt das Stichwort:„ Die Börse ist nicht die Wirtschaft.“
Allerdings gab es gestern, Dienstag, auch eine schlechte Nachricht. Das Handelsdefizit der USA ist im vergangenen Jahr auf das höchste Niveau seit 2008 gestiegen. Es kletterte um 12,1 Prozent auf 566 Milliarden Dollar (455 Mrd. Euro).
Der von Trump besonders kritisch beäugte Fehlbetrag beim Handel mit China legte um 8,1 Prozent auf den Rekordwert von 375,2 Mrd. Dollar zu. Trump wirft den Chinesen vor, sich mit unfairen Praktiken Vorteile im internationalen Wettbewerb zu erschleichen. Bei seinem Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos warnte er vor „Raubtier-Praktiken“. Sein Handelsminister Wilbur Ross hält Chinas Produktoffensive bei HightechGütern für eine Bedrohung.
Steuerreform
Möglicherweise istTrump sogar mehr für die Kurs korrektur als für den Anstieg verantwortlich. Ein Grund für die Angst vor höherer Inflation und schnell steigenden Zinsen ist seine Steuerreform, die die Wirtschaft in Zeiten von Vollbeschäftigung und brummender Konjunktur noch weiter befeuern soll. Und erst jüngst hatte Trump auf einen starken Dollar gepocht. Auchdiesmüsstewohl durch steigende Zinsen eingelöst werden. Das könnte vor allem für Jerome Powell, Trumps neuen Mann an der Spitze der US-Notenbank Fed, zur Herausforderung werden. Am Montag übernahm er den Job von der als extrem vorsichtig geltenden Janet Yellen.