Patientenanwalt: Zuviele Ärzte in der Grippezeit auf Urlaub
Lange Wartezeiten. Gerald Bachinger fordert von Politik neue Regelungen
Die Türe zur Ordination öffnet sich minütlich. Patienten stecken ihre Köpfe hinein, seufzen, schließen die Tür wieder. Von außen. Die Schlange reicht bis auf den Gang hinaus. Im Wartezimmer sitzen Grippekranke neben Skifahrern, die auf eine Nachbehandlung ihrer Verletzung warten. Dazwischen tuscheln einige Wartende über die Dame, die schon seit 30 Minuten beim Empfangsteht.„AWahnsinn, pffff!“Anrufer, die nach einem Termin fragen, werden vertröstet: „Bei uns ist heute sehr viel los. Wenn es nicht dringend ist...“Von fünf Kassen-Hausärzten in der Bezirkshauptstadt Hollabrunn, NÖ, haben in den Semesterferien zwei geöffnet.
Alleine in Wien wurden in der vergangenen Woche rund 13.700 Grippe-Neuerkrankungen registriert. Und das in den Semesterferien, wo viele der Hausärzte selbst auf Urlaub sind. Geregelt ist, dass mindestens 50 Prozent der MedizinerimDienstseinmüssen. Obwohl die Norm erfüllt wird, wird ein Besuch bei einem Hausarzt derzeit zum Geduldsspiel. Patientenanwalt Gerald Bachinger kritisiert die gesetzliche Norm: „Die Abstimmungen bei Urlaubs- und Ordinationszeiten im niedergelassenen Bereich funktionieren nicht so, wie sie sollten. Generell gibt es eine mangelhafte Abdeckung durch Kassenärzte.“Die Politik sei gefordert. „Die Regelung mit den 50 Prozent sollte überdacht werden, weil
diese schon sehr niedrig angesetzt ist.“
In Niederösterreich gibt es 783 niedergelassene Kassenärzte für Allgemeinmedizin. 180 davon sind laut Ärztekammer NÖ derzeit im Urlaub, sieben auf Fortbildungen und zwei selbst im Krankenstand. Es sind auch hier mindestens 24 Prozent, die nicht für ihre Patienten verfügbar sind.
InWiensiehtmankeinanderes Bild. Derzeit haben 23 Prozent der Allgemeinmediziner wegen Urlaubs ihre Ordination geschlossen. 169 der 734 Hausärzte haben somit frei.
In Niederösterreich müssen Urlaubsmeldungen vier Wochen im Vorhinein bei der Ärztekammer bekannt gegeben werden. Es gibt für jeden Sprengel einen festgelegtenSchlüssel: BeidreiÄrztenmusseinMedizinergeöffnet haben, bei fünf Ärzten zwei. Fällthiernocheinerunvorhergesehenaus, kommtes zu Engpässen.
Keine Einzelfälle
„Ich habe dasselbe erlebt“, erklärt ein Wiener. Weil dessen Hausärztin derzeit im Urlaub ist, musste er zu ihrer Vertretung.„Dorttummeltensichim Wartezimmer rund 25 Menschen. Nur sechs Patienten konnten aber Platz nehmen, weil es nicht mehr Sessel gab. Die Wartezeit betrug bis zu drei Stunden und das mit meinem Fieber“, erzählt der Betroffene. Der dritte Hausarzt, den der Patient aufsuchen wollte, war ebenfalls auf Urlaub. Ein weiterer Mediziner war selbst erkrankt. Erst beim fünften Anlauf kam es zur Behandlung.
Bei zwei zufällig ausgesuchten Ordinationen in Wien wird man ebenfalls auf eine „längere Wartezeit“vertröstet.
„Zwei bis drei Stunden“, ist bei einem Hausarzt in der Josefstadt zu hören. Bei einem Allgemeinmediziner in Floridsdorf wird man konkreter: „Drei andere Ärzte sind derzeit auf Urlaub. Jetzt kommen alle zu uns.“
Aktuell sind noch keine Patientenbeschwerden bei der Patientenanwaltschaft eingegangen, auch bei den Gebietskrankenkassen Wien undNiederösterreichhatsich noch niemand gemeldet. „Das ist nicht verwunderlich, die Beschwerden kommen meistens erst zeitverzögert“, sagt Bachinger.
„Die Abstimmungen bei Urlaubs- und Ordinationszeiten funktionieren nicht so, wie sie sollten.“
Gerald Bachinger Patientenanwalt