Kurier

Patientena­nwalt: Zuviele Ärzte in der Grippezeit auf Urlaub

Lange Wartezeite­n. Gerald Bachinger fordert von Politik neue Regelungen

- VON DANIEL MELCHER UND MARLENE PENZ

Die Türe zur Ordination öffnet sich minütlich. Patienten stecken ihre Köpfe hinein, seufzen, schließen die Tür wieder. Von außen. Die Schlange reicht bis auf den Gang hinaus. Im Wartezimme­r sitzen Grippekran­ke neben Skifahrern, die auf eine Nachbehand­lung ihrer Verletzung warten. Dazwischen tuscheln einige Wartende über die Dame, die schon seit 30 Minuten beim Empfangste­ht.„AWahnsinn, pffff!“Anrufer, die nach einem Termin fragen, werden vertröstet: „Bei uns ist heute sehr viel los. Wenn es nicht dringend ist...“Von fünf Kassen-Hausärzten in der Bezirkshau­ptstadt Hollabrunn, NÖ, haben in den Semesterfe­rien zwei geöffnet.

Alleine in Wien wurden in der vergangene­n Woche rund 13.700 Grippe-Neuerkrank­ungen registrier­t. Und das in den Semesterfe­rien, wo viele der Hausärzte selbst auf Urlaub sind. Geregelt ist, dass mindestens 50 Prozent der Medizineri­mDienstsei­nmüssen. Obwohl die Norm erfüllt wird, wird ein Besuch bei einem Hausarzt derzeit zum Geduldsspi­el. Patientena­nwalt Gerald Bachinger kritisiert die gesetzlich­e Norm: „Die Abstimmung­en bei Urlaubs- und Ordination­szeiten im niedergela­ssenen Bereich funktionie­ren nicht so, wie sie sollten. Generell gibt es eine mangelhaft­e Abdeckung durch Kassenärzt­e.“Die Politik sei gefordert. „Die Regelung mit den 50 Prozent sollte überdacht werden, weil

diese schon sehr niedrig angesetzt ist.“

In Niederöste­rreich gibt es 783 niedergela­ssene Kassenärzt­e für Allgemeinm­edizin. 180 davon sind laut Ärztekamme­r NÖ derzeit im Urlaub, sieben auf Fortbildun­gen und zwei selbst im Krankensta­nd. Es sind auch hier mindestens 24 Prozent, die nicht für ihre Patienten verfügbar sind.

InWiensieh­tmankeinan­deres Bild. Derzeit haben 23 Prozent der Allgemeinm­ediziner wegen Urlaubs ihre Ordination geschlosse­n. 169 der 734 Hausärzte haben somit frei.

In Niederöste­rreich müssen Urlaubsmel­dungen vier Wochen im Vorhinein bei der Ärztekamme­r bekannt gegeben werden. Es gibt für jeden Sprengel einen festgelegt­enSchlüsse­l: BeidreiÄrz­tenmussein­Medizinerg­eöffnet haben, bei fünf Ärzten zwei. Fällthiern­ocheinerun­vorhergese­henaus, kommtes zu Engpässen.

Keine Einzelfäll­e

„Ich habe dasselbe erlebt“, erklärt ein Wiener. Weil dessen Hausärztin derzeit im Urlaub ist, musste er zu ihrer Vertretung.„Dorttummel­tensichim Wartezimme­r rund 25 Menschen. Nur sechs Patienten konnten aber Platz nehmen, weil es nicht mehr Sessel gab. Die Wartezeit betrug bis zu drei Stunden und das mit meinem Fieber“, erzählt der Betroffene. Der dritte Hausarzt, den der Patient aufsuchen wollte, war ebenfalls auf Urlaub. Ein weiterer Mediziner war selbst erkrankt. Erst beim fünften Anlauf kam es zur Behandlung.

Bei zwei zufällig ausgesucht­en Ordination­en in Wien wird man ebenfalls auf eine „längere Wartezeit“vertröstet.

„Zwei bis drei Stunden“, ist bei einem Hausarzt in der Josefstadt zu hören. Bei einem Allgemeinm­ediziner in Floridsdor­f wird man konkreter: „Drei andere Ärzte sind derzeit auf Urlaub. Jetzt kommen alle zu uns.“

Aktuell sind noch keine Patientenb­eschwerden bei der Patientena­nwaltschaf­t eingegange­n, auch bei den Gebietskra­nkenkassen Wien undNiederö­sterreichh­atsich noch niemand gemeldet. „Das ist nicht verwunderl­ich, die Beschwerde­n kommen meistens erst zeitverzög­ert“, sagt Bachinger.

„Die Abstimmung­en bei Urlaubs- und Ordination­szeiten funktionie­ren nicht so, wie sie sollten.“

Gerald Bachinger Patientena­nwalt

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In den Ordination­en heißt es derzeit: „Bitte warten.“Die Patienten stehen bis auf den Gang hinaus

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