Die Lobbying-Kaiser von Brüssel
Einfluss auf Gesetze. 1,5 Mrd. Euro werden auf EU-Ebene ausgegeben – vor allem für die Interessen von Konzernen
Wie kam es zur neuerlichen Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat? ErstmalssolleinUntersuchungsausschussdesEU-Parlaments die Hintergründe des Zulassungs prozesses genau durchleuchten. Geprüft wird auch, ob der US- KonzernMonsantomassivenEinfluss auf Studien zur möglichen Gesundheitsgefährdung des Pestizids genommen hat. Der Ausschuss geht auch auf Interventionen des gemeinnützigen Vereins Lobby Controlzurück,d er die Einflussnahme auf Gesetze, Politik und öffentliche Meinung transparenter machen möchte. „Es ist wichtig, den Zulassungs prozess noch einmal zu durchleuchten, denn vieles war für die Öffentlichkeit gar nicht einsehbar“, erläutert Nina Katzemich, EUExpertin bei LobbyControl.
Zweifelhafte Studien
Monsanto sei kein Einzelfall. Interessengeleitete und teils manipulative Studien würden längst zum Werkzeugkasten der Lobbyisten zählen, so Katzemich. Jüngstes Beispiel sind die fragwürdigen Schadstofftests der deutschen Autohersteller, die von einem US-Lobbying-Verein durchgeführt wurden.
Wie mächtig Lobbying auf EU-Ebene ist, zeigen die neuesten Zahlen von LobbyControl. Demnachversuchen rund 25.000 Lobbyisten mit einem Jahresbudget von 1,5 Mrd. Euro bestimmten Interessen mehr Gehör zu verschaffen. Macht und Moneten sind dabei ungleich verteilt, wie ein Blick in das öffentlichzugänglicheEU-Lobbyingregister zeigt. Unter den 15 Akteuren mit den höchsten Ausgaben sind fast ausschließlich Unternehmensinteressen. „Lobbyis-
„Lobbyismus gehört zur Demokratie. Aber Einfluss haben vor allem die, die es sich leisten können.“Nina Katzemich Lobby Control
mus gehört zur Demokratie. Aber die Waffen sind ungleichverteilt. Einflusshaben vor allem diejenigen, die ihn sich leisten können“, fasst Katzemich zusammen.
Lobbying-Kaiser sind laut gemeldeter Daten von 2016/17 der Europäische Chemieverband gefolgt vom Dach verband der europäischenIndustrie und Handelskammer (Eurochambers). Eurochambers-Präsident ist aktuell Wirt schafts kammerPräsident ChristophLeitl.
Neben diverser Verbänden scheinen mehrere große PR- undLobbying-Agenturen imRankingauf. Dahinter verbergen sich häufig potente Auftraggeber. So war oder ist die Agentur FleishmanHillard für Konzerne wie Monsanto, Aviva oder Exxon aktiv. Umstritten ist das Engagement zahlreicher Ex-EU Parlamentarier oder sogar Kommissare bei diesen Lobbying-Agenturen.
Der Google-Einfluss
Nach Unternehmen betrachtet haben Konzerne aus der Technologiebranche, Finanzindustrie und Energieversorger das höchste Lobbying-Etat. Wenig verwunderlichsindesvorallem US-Konzerne. Neben General Electric geben Google und Microsoft das meiste Geld aus. Bemerkenswert an Google: Das Millionen-Budget wurde in den vergangenen Jahren um 700 Prozent erhöht. Die 4,25 Mio. Euro sind aber wenig im Vergleich zu den 14,6 Mio. Euro, die Google im Vorjahr allein in den USA für Lobbying-Arbeit springen ließ.
Google ist aber sehr aktiv, wenn es um Treffen mit EU-Kommissaren oder deren Kabinettsmitgliedern geht. Die milliarden schwere Steuercausa dürfte da wohl mit eine Rolle gespielt haben. Mit gleich 165 hochrangigen Treffen seit 2014 wird der Internet-Riese nur noch von der Industrie- und Arbeitgeber-Lobby BusinessEurope überholt. Vorsitzender von BusinessEurope ist Markus Beyrer, vormaliger Generalsekretär der Industriellen vereinigung. Von Seiten der Zivilgesellschaft finden sich der Europäische Verbraucher verband und derWWFunt er den aktivsten Lobbyisten.
234 Österreicher
Aus Österreich gibt es insgesamt 234 Einträge im EULobbyingregister, darunter 71 NGOs und 56 Unternehmen. Nur die Wirtschaftskammer (WKO) verfügt mit 1,75 Mio. Euro über ein Millionenbudget, Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund geben gemeinsam etwa halb so viel aus. Die Industriellenvereinigung kommt auf 450.000 Euro.
Von den heimischen Unternehmen sind vor allem die Energieversorger, Banken, Versicherungen sowie großeBörsefirmenvertreten. Austro-Lobbying-Kaiser in Brüssel ist im aktuellen Ranking die OMV mit 550.000 Euro Jahresbudget (2016), gefolgt von KTM mit 450.000 Euro (2017). Der Motorradhersteller lobbyierte übrigens in Sachen Genehmigungsvorschriften für Leichtfahrzeuge, wie aus dem Eintrag hervorgeht.