Dada-Publikumsbeschimpfung am offenen Grab
Drama/Experiment. Cate Blanchett spricht und spielt sich durch Polit- und Kunst-Manifeste des 19. und 20. Jahrhunderts
Cate Blanchett war bereits Bob Dylan – wozu hat man schließlich zwei Oscars. In dem Hochglanz-Pamphlet von Julian Rosefeldt, einem arrivierten deutschen VideoKünstler, ist sie allerdings nicht bloß einer, sondern viele: Karl Marx, Guy Debord, YvonneRainer, TristanTzara, Claes Oldenburg, Jim Jarmusch und viele mehr. Nicht in deren menschlicher Gestalt, versteht sich, sondern als die interpretative Stimme deren politischer und künstlerischer Manifeste.
Rosefeldts vielfach akklamierteArbeit„Manifesto“besteht aus zwölf polierten Szenarien, in denen Blanchett revolutionäre Texte, surrealistische Beschimpfungen oder Dogma-Kataloge in unterschiedlichem Rollenspiel vorträgt. Blanchett als brave Mutti, die mit gefalteten Händen am Tisch sitzt und ihren Lieben anstelle eines Tischgebets eine „Ode an die Möglichkeiten“von Claes Oldenburg rezitiert: „IchbinfüreineKunst, diegeraucht wird wie eine Zigarette..., die man isst wie ein Stück Kuchen.“
Cate Blanchett als Witwe auf einem Begräbnis, die der versammelten Trauerge- meinde eine dadaistische Publikumsbeschimpfung entgegen schleudert: „Dada ist Scheiße, aber von jetzt an wollen wir in verschiedenen Farben scheißen!“
Mini-Art
Cate Blanchett als Fernsehsprecherin, die sich selbst interviewt und Auskünfte erteilt über Konzeptkunst und „Mini-Art“–„Wahrscheinlich Kunst von kleinen Künstlern“.
Ursprünglich hatte Rosefeldtseineintelligent-witzige „Manifesto“-Impressionen alsInstallationpräsentiert, in der die unterschiedlichen Szenen auf einzelnen Leinwänden abgespielt wurden. Den euphorischen Kritiken zufolge muss es für die Besucher ungemein elektrisierend gewesen sein, den Ausstellungsraum im eigenen Tempo zu begehen und sich von den präsentierten Clips inspirieren zu lassen.
In der hochgefahrenen Filmfassung gibt es diese Möglichkeit der freien Bewegung natürlich nicht. Stattdessen spulen sich die Episoden nacheinander ab, mit dem Nachteil, dass sie sich in ihrer dichten Abfolge zu erschöpfen beginnen. Zwischen Blanchett als bärtigem Obdachlosen in Industrieruinen und Blanchett als Punkrock-Rabaukin – natürlich immer mit einem Monolog auf den Lippen – beginnen sich die Texte gegenseitig zu nivellieren. Die einzelnen Manifeste drohen in einem Rauschen unter zu gehen, während sich gleichzeitig eine Art Casting-Effekt einstellt, bei dem Blanchett eine Leistungsschau ihrer Schauspielkunst – und ihrer Perücken – abliefert.