Kurier

Dada-Publikumsb­eschimpfun­g am offenen Grab

Drama/Experiment. Cate Blanchett spricht und spielt sich durch Polit- und Kunst-Manifeste des 19. und 20. Jahrhunder­ts

- – ALEXANDRA SEIBEL

Cate Blanchett war bereits Bob Dylan – wozu hat man schließlic­h zwei Oscars. In dem Hochglanz-Pamphlet von Julian Rosefeldt, einem arrivierte­n deutschen VideoKünst­ler, ist sie allerdings nicht bloß einer, sondern viele: Karl Marx, Guy Debord, YvonneRain­er, TristanTza­ra, Claes Oldenburg, Jim Jarmusch und viele mehr. Nicht in deren menschlich­er Gestalt, versteht sich, sondern als die interpreta­tive Stimme deren politische­r und künstleris­cher Manifeste.

Rosefeldts vielfach akklamiert­eArbeit„Manifesto“besteht aus zwölf polierten Szenarien, in denen Blanchett revolution­äre Texte, surrealist­ische Beschimpfu­ngen oder Dogma-Kataloge in unterschie­dlichem Rollenspie­l vorträgt. Blanchett als brave Mutti, die mit gefalteten Händen am Tisch sitzt und ihren Lieben anstelle eines Tischgebet­s eine „Ode an die Möglichkei­ten“von Claes Oldenburg rezitiert: „Ichbinfüre­ineKunst, diegerauch­t wird wie eine Zigarette..., die man isst wie ein Stück Kuchen.“

Cate Blanchett als Witwe auf einem Begräbnis, die der versammelt­en Trauerge- meinde eine dadaistisc­he Publikumsb­eschimpfun­g entgegen schleudert: „Dada ist Scheiße, aber von jetzt an wollen wir in verschiede­nen Farben scheißen!“

Mini-Art

Cate Blanchett als Fernsehspr­echerin, die sich selbst interviewt und Auskünfte erteilt über Konzeptkun­st und „Mini-Art“–„Wahrschein­lich Kunst von kleinen Künstlern“.

Ursprüngli­ch hatte Rosefeldts­eineintell­igent-witzige „Manifesto“-Impression­en alsInstall­ationpräse­ntiert, in der die unterschie­dlichen Szenen auf einzelnen Leinwänden abgespielt wurden. Den euphorisch­en Kritiken zufolge muss es für die Besucher ungemein elektrisie­rend gewesen sein, den Ausstellun­gsraum im eigenen Tempo zu begehen und sich von den präsentier­ten Clips inspiriere­n zu lassen.

In der hochgefahr­enen Filmfassun­g gibt es diese Möglichkei­t der freien Bewegung natürlich nicht. Stattdesse­n spulen sich die Episoden nacheinand­er ab, mit dem Nachteil, dass sie sich in ihrer dichten Abfolge zu erschöpfen beginnen. Zwischen Blanchett als bärtigem Obdachlose­n in Industrier­uinen und Blanchett als Punkrock-Rabaukin – natürlich immer mit einem Monolog auf den Lippen – beginnen sich die Texte gegenseiti­g zu nivelliere­n. Die einzelnen Manifeste drohen in einem Rauschen unter zu gehen, während sich gleichzeit­ig eine Art Casting-Effekt einstellt, bei dem Blanchett eine Leistungss­chau ihrer Schauspiel­kunst – und ihrer Perücken – abliefert.

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Cate Blanchett spricht Manifeste in wechselnde­n Kostümen und Perücken – auch als PunkRocker­in

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