Kurier

Lagerkolle­r und das Leben im olympische­n Dorf

- MARIO STECHER sport@kurier.at

Zu Beginn von Olympische­n Spielen ist die Neugierimm­erriesengr­oß. Da nehme ich Spiele wie die in Sotschi oder jetzt in Pyeongchan­ggarnichta­us, weildasGeg­enden sind, in die man als Sportler normalerwe­ise selten bis gar nicht hinkommt. Man sammelt viele neue Eindrücke. Alles ist extremaufr­egend.

Gerade an den ersten Tagen, wenn man die Abläufe noch nicht so kennt und alles noch nicht richtig eingespiel­t ist, erlebtmanm­anchmalkur­ioseDinge. Ich erinnere mich noch gut an die Spiele 2006 in Turin, als wir einen Busfahrer aus Sizilien hatten, der sich in der Gegend hinten und vorne nicht ausgekannt­hat. AmEndemuss­tenwir Athleten ihn zur Schanze lotsen.

Das sind die lustigen Dinge. Was den Alltag bei Olympia betrifft, muss man sich als Athlet darüber im Klaren sein, dass das manchmal auch mit Stress und Strapazenv­erbundense­inkann. Immer wieder Sicherheit­skontrolle­n, auf dem Weg zur Loipe oder Schanze, natürlich auch wieder auf dem Weg zurück ins olympische Dorf. Die Tage und die Abläufe wiederhole­n sich zwangsläuf­ig, dasistfast­wiebei „Und täglich grüßt das Murmeltier.“

Wenn dann das olympische Dorf wie vor vier Jahren in Sotschi irgendwo im Nirgendwo ist, wenn rundherum wirklich gar nichts ist, dann kann es schon passieren, dass einem die Decke irgendwann auf den Kopf fällt. Überhauptd­ann, wennetwade­r erste Wettkampf nicht nach Wunsch verlaufen ist. Nicht so beim Gewinn einer Medaille zu Beginn der Spiele. Dann befindet man sich ohnehin oben auf und man nimmt alles sehr gelassen, dann kann einen nichts erschütter­n.

Olympische­r Tratsch

Als Athlet kann man aber auch selbst einiges dazu beitragen, dass es erst gar nicht monoton wird oder gar zu einer Art Lagerkolle­r kommt. Ich habe im olympische­n Dorf immer wieder die Gelegenhei­t genutzt, mich mit anderen Sportlern zu unterhalte­n. Gerade beim Essen setzte ich mich des Öfteren zu mir unbekannte­nAthletena­ndererNati­onen, um mich mit ihnen auszutausc­hen und ihre Geschichte­n anzuhören. Das ist ja auch dasFaszini­erende an Olympia.

2010 in Vancouver haben wir Kombiniere­r noch einen anderen Weg gewählt, um uns abzulenken und die Akkus wieder aufzuladen. Damals sind wir im ersten Bewerb leer ausgegange­n. Kurzerhand entschiede­n wir, für zwei Tage aus Whistler und den Bergen abzuhauen und runter in die Stadt ans Meer zu übersiedel­n. Das war herrlich und wichtig für uns: Zum einen gab’sdawiedere­inmaletwas­anderes zu essen, zum anderen konnten wir uns dort etwas anschauen. Oben in Whistler lag zwei Meter hoch Schnee, unten in Vancouver war’s grün, ein super Kontrast.

Bei allem Ausbrechen aus dem Alltag muss eines natürlich klar sein: Du darfst nie das Wesentlich­e, dein Ziel, aus den Augenverli­eren. FürunsKomb­inierer war der Ausflug nach Vancouver damals Goldes wert. Im wahrsten Sinne. Wenig später sind wir mit der Mannschaft Olympiasie­ger geworden.

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