Überinszeniert
Bundeskanzler Sebastian Kurz überlässt nichts dem Zufall und hat einen Hang zur Abschottung.
Manche Fotos prägen das Bild einer Regierung. Ganzoftsinddaswelche, diesichdieRegierenden nicht ausgesucht haben: Wolfgang Schüssel am Beifahrersitz in Haiders Porsche. Und ein buchstäblichausgerutschterKanzlerbeimEisstockschießen.
Bei der Neuauflage derselben Koalition versucht nun derneueRegierungschef, sichdieRegienieabknöpfenzu lassen. FotografenwarendaherinderOpernball-Logeder Regierungnurbedingtzugelassen. Dasmagdemüberbordenden medialen Interesse und der Vermeidung unschicklichenGedrängesgeschuldetsein, aberTürkis-Blau setzte schon bisher auf kontrollierte Inszenierung. Das entspricht zwar den internationalen, aber nicht den bisher viel lockereren heimischen Usancen.
Zunehmend versuchen auch demokratisch gewählte Politiker, Medien in ihrem Sinne zu steuern. Allerdings ist das auch eine Folge halblustiger Methoden der internationalen Pressefotografie. Diese agiert immer brachialer, um an einen Schnappschuss zu kommen (wobei es da eher um Celebrities als um Politiker geht).
Gelegentlich wird auch mit zweierlei Maß gemessen. Als einst (die rote) Ministerin Claudia Schmied auf ihrem Gang in den Ministerratssaal vor der Medienmeute der Länge nach hinfiel, murmelte sie zornig: „Na, da habt’s jetzteuerFoto.“Dochallewarenfair, niemandbrachtees. Was wäre, würde dies heute einem Minister passieren? Die Häme ist ein Hund! Das weiß Kurz – und setzt auf plakative Inszenierung. Siehe seine Opernball-Gästeliste: eine afrikanische Menschenrechtsaktivistin, ein homosexueller Ministerpräsident. Er nutze die Gelegenheit zu „politischen Ausrufezeichen“, schrieben deutsche Medien. Für seriösen Journalismus bleibt das eine Gratwanderung: Wir werden und wollen authentisch berichten. Aber wir sind keine Hofberichterstatter.