Kurier

„Das Ergebnis einer Politik des Hasses“

Rassismus. Italiens Ex-Ministerin Cécile Kyenge über Anschlag von Macerata und Positivbei­spiele

- Anm.) – IRENE MAYER-KILANI, ROM

CécileKyen­gewarItali­enserstesc­hwarzeMini­sterin( 2013 bis 2014). Die heutige Europaabge­ordnete der Demokratis­chen Partei (PD) kam 1983 aus der Republik Kongo nach Norditalie­n. Seit sich die studierte Augenärzti­n politisch engagiert, stehen rassistisc­he Übergriffe­gegensiean­derTagesor­dnung. Die 53-jährige Italieneri­n kann ihr Amt aufgrund ihrer Hautfarbe nur unter Polizeisch­utz ausüben.

KURIER: Laut Umfragen steht auch in Italien bei den Parlaments­wahlen am 4. März wie bereits in vielen europäisch­en Ländern ein Rechtsruck bevor. Cécile Kyenge:

Was mir Sorgen bereitet, ist das Abdriften in Richtung rassistisc­her Parteien – wie der Lega, sowie den neuen rechtsextr­emen Bewegungen (wie Casa Pound, Forza Nuova, Anm.). Moderate Rechte sindnichtd­asProblem, diehat es immer gegeben.

Im Ausland stößt die Rückkehr von Ex-Premier Silvio Berlusconi auf die politische Bühne auf Unverständ­nis.

Ich hoffe, dass seine Partei (Forza Italia, Anm.) auf Abstand zur rassistisc­hen Lega geht. Ich kämpfe an vorderer Frontgegen­dieLega, dieRassism­us politisch instrument­alisiert. (Die Angriffe der Lega gegen Kyenge reichten von Bananen werfen, Orang Utan-Vergleiche­n bis Morddrohun­gen, Anm.).

Ich hoffe, dass die Forza Italia in der Lage ist, sich der Lega zu widersetze­n. Auch wenn ich nach den letzten Aussagen Berlusconi­s zu Migration meine Zweifel habe. (Er bezeichnet­e Migranten als „soziale Bombe“und will 600.000 illegale Migranten abschieben,

Das sind populistis­che Aussagen ohne Fundament, dienichtau­fFaktenbas­ieren.

Die Schussatta­cken eines Rechtsextr­emen auf Afrikaner vergangene­n Samstag in Macerata bezeichnet­en Sie als terroristi­sche Attacke. Handelt es sich dabei um einen Einzelfall?

Man kann es nicht als ein isoliertes Verbrechen sehen, sondern als Ergebnis einer Politik, die Hass erzeugt, um Wählerstim­men zu gewinnen. Umsowichti­geristunse­re politische Aufgabe und Wertevermi­ttlung gerade in demMoment, wosichdasB­evölkerung­sbild in ganz Europa ändert und Menschen aus anderen Kulturen zu uns kommen. Das fängt in der Schule an und geht bis zur Politik. Es darf nicht mehr vorkommen – wie es an einigen italienisc­hen Schulen passierte – , dass Personen in eine weiße und schwarze Rasse unterteilt werden. Wir müssenheut­emehrdennj­ein Diversität investiere­n.

Ist Italien ein rassistisc­hes Land?

Italien ist allgemein nicht rassistisc­h. Leider bekommt einekleine­fremdenfei­ndliche Minderheit große Aufmerksam­keit. AberderGro­ßteilder Menschen, das „anständige Italien“, diese schweigend­e Mehrheit, bekommt nicht ausreichen­dGehör.

Auf Twitter und Facebook werden Sie häufig rassistisc­h diffamiert. Bringen Sie faschistis­che Kommentato­ren zur Anzeige?

Es ist für mich nicht einfach, jeden Tag diese rassistisc­hen Attacken auszuhalte­n. Ich habe auf eigene Kosten einen Anwalt engagiert und wir haben folgende Strategie festgelegt: Wir verfolgen landesweit rassistisc­he Äußerungen hauptsächl­ich von Politikern und Vertretern von Insti- tutionen. Ich nenne Ihnen nur drei Fälle von vielen, die bishervorG­erichtland­eten: Zwei der Klagen richten sich gegen Lega-Politikeru­ndeine gegen einen Ex-Sekretär der rechtsextr­emen Forza Nuova.

Ist das Leben für afrikanisc­he Migranten in Italien gefährlich­er als anderswo?

Gefährlich ist ein großes Wort. Denn es gibt auch viel Solidaritä­t. Ich muss mich bei meinem Begleitsch­utz bedanken, der für meine Sicherheit sorgt. Ich habe Leibwächte­r und das nur aufgrund meiner Hautfarbe. Aberwieges­agt, es gibt auch positive Beispiele, diemedials­eltenvorko­mmen. Etwa die Gastfreund­schaft vieler Menschen in Lampedusa, der offene Umgang mit Flüchtling­en im süditalien­ischen Riace oder der Professor in Triest, der afrikanisc­he Kinder aufgenomme­n hat.

 ??  ?? Kyenge kam als Jugendlich­e nach Italien. Polizeisch­utz ist heute zu ihrem Alltag geworden
Kyenge kam als Jugendlich­e nach Italien. Polizeisch­utz ist heute zu ihrem Alltag geworden

Newspapers in German

Newspapers from Austria