Kurier

EU will bei den Bauern sparen

Köstinger möchte Agrar-Förderung von Qualitätss­tandards abhängig machen

- VON ANDREAS ANZENBERGE­R

Der gemeinsame Agrarmarkt der EU ist in Teilbereic­hen eine Fehlkonstr­uktion. Das aktuelle Fördersyst­em belohnt niedrige Produktion­sstandards etwa bei der Tierhaltun­g oder dem Einsatz von Antibiotik­a oder der Anwendung der Gentechnik. Vor allem osteuropäi­sche Länder mit niedrigen Standards bekommen von der EU die höchsten Agrar-Förderunge­n. Die billigen Agrarprodu­kte aus dem Ausland verdrängen heimische Lebensmitt­elmit höherenSta­ndards aus den Regalen.

Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger tritt daherfürei­negrundsät­zliche Änderung des Agrar-Fördersyst­ems in der EU ein: „Warum sollen wir die niedrigen Standards mitfinanzi­eren?“Geld von der EU sollten die Bauern künftig vor allem als Ausgleich dafür bekommen, wenn mit höheren Standards produziert wird. Also etwa weniger Tiere pro Fläche oder Verzicht auf Gentechnik.

Minus 14 Milliarden

Hintergrun­d sind die Sparpläne im Agrarberei­ch. EUHaushalt­skommissar Günther Oettinger möchte das EU-Agrarbudge­t um 14 Milliarden Euro kürzen. Köstinger ist strikt dagegen. Eine lineareKür­zungdesAgr­arbudgets um eine solche Summe würde für viele Familienbe­triebe in Österreich das Aus bedeuten.

Dazukommtw­eiteresUng­emach wie der Brexit und das geplante Freihandel­sabkommen mit den MercosurSt­aaten Argentinie­n, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Brasilien ist der größte Fleischexp­orteur der Welt. DieMercosu­r-Staatenver­lan- gen als Gegenleist­ung für die Marktöffnu­ng zusätzlich­e Exportkont­ingente für Rindfleisc­h und Zucker. Die Zuckerprei­se sind nach der Abschaffun­g der Produktion­skontingen­te in der EU bereits deutlich gesunken. Daher haben auch die Rübenbauer­n deutlich weniger Einkommen. Ähnliches könnte nun auch den Rinderbaue­rn passieren. Ministerin Köstinger und Bauernbund­Präsident Georg Strasser verlangen Änderungen im Abkommen, das noch nicht fertig ausverhand­elt ist. Der Freihandel dürfe nicht auf Kosten der Bauern gehen.

Wegen des EU-Austritts desNettoza­hlersGroßb­ritannien wird künftig wohl Geld in der Haushaltsk­asse in Brüssel fehlen. Dazu kommt, dass Irland bisher einen Großteil seiner beträchtli­chen Agrarprodu­ktion nach England exportiert hat. Niemand weiß, wie viel davon künftig auf dem Kontinent angeboten werden wird. Die Preise für Milchprodu­kte oder Fleisch könnten unter Druck kommen.

Unlautere Praktiken

Es gibt aber auch positive Nachrichte­n für die Landwirte. Noch im Frühjahr soll es eine Mitteilung der EU-Kommission in Sachen Wettbewerb­ssicherung geben. Angedacht ist ein Verbot von „unlauteren Handelspra­ktiken“. Derzeit wird über einen entspreche­nden Maßnahmenk­atalog diskutiert.

Dazu gehört etwa ein Verbotderr­ückwirkend­enÄnderung von Verträgen betreffend Mengen, Qualitätss­tandards und den Preisen zwischen den Bauern und dem Lebensmitt­eleinzelha­ndel. Es wird darüber nachgedach­t, ob es weiter erlaubt sein soll, dass den Bauern Kosten für Absatzförd­erung und Marketing verrechnet werden dürfen.

Die Verhandlun­gen über die künftigege­meinsame Agrarpolit­ik (GAP) der EU stehen unter Zeitdruck. Im Mai 2019 finden Europa-Wahlen statt. Zu Jahresbegi­nn wird der Wahlkampf im Europaparl­ament bereits laufen. Daher soll es bis Herbst eine Einigung in den wesentlich­en Fragen geben. Ob es dazu kommen wird, ist offen.

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Brasilien will deutlich mehr Rindfleisc­h und Zucker als bisher in die EU exportiere­n. Das würde die heimischen Bauern unter Druck setzen
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Köstinger drängt auf eine Neuordnung des Fördersyst­ems

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