30 Kandidaten für Abfahrtsgold
Ski alpin. Die Piste in Jeongseon ist eher einfach – das macht den Sieg schwierig
Der Zuschauer hatte es gut beim ersten Abfahrtstraining der Herren: freie Platzwahl, Sonnenschein, kein Wind, angenehme Temperaturen, Hans Pum hatte am Donnerstagmittag die ganze Tribüne im Zielraum von Jeongseon für sich alleine. Der ÖSV-Sportchef wurde Zeuge, wie der Kanadier Manuel Osborne-Paradis nach einem Torfehler die Bestzeit markierte, 1:40,45 Minuten brauchte der Bronzemedaillengewinner des WM-SuperG von 2017 für die 2965 Meter lange Prüfung, die am Sonntag ausgetragen wird (3UhrMEZ, 11UhrOrtszeit).
Ein anderer Kurs
Fast eine Sekunde war er schneller als der Norweger Kjetil Jansrud, der die Generalprobe vor zwei Jahren gewonnen hatte; und das auf einer um 108 Meter längerer Strecke. „Ich halte nichts davon, das zu vergleichen“, sagt Bernhard Russi, „jetzt haben wir drei Meter mehr Schnee und eine andere Kurs setzung .“
Der Schweizer Vater der Piste von Jeongseon erwartet mit der Wärme am Freitag und Samstag eine Siegerzeit von 1:38 Minuten am Sonntag. „Sie waren noch nicht am Limit, und erst das Limit wird zeigen, was möglich ist.“Klar aber ist für den Olympiasieger von 1972: „Die Jury hat alles gemacht, um für den Idealfall zu sorgen, auch mit den Test fahrten von Didier Défago“, der Olympiasieger von 2010 brauste mehrmals den vom oberösterreichischen FISRenndirektor Hannes Trinkl ausgeflaggten Kurs hinunter. „Hannes hat mit viel Gefühl gesetzt“, lobt Russi.
Besser machen können die Athleten ihre Arbeit in zwei Passagen, „dort können sie mit noch mehr Zug auf den Skiern fahren“Marcel Hirscher könnte beispielsweise ein Tor weniger auslassen, gleichwohl ward er Kombinier er mit den3,93Se kunden Rückstand mehr als zufrieden. Weniger als sechs Sekunden waren der Plan, „es war super, wirklich. Ich hatte nie einen Moment, an dem ich mir dachte, was ich jetzt machen soll.“Der sechsfache Gesamtweltcupsieger fuhr mit Riesenslalom-Schuhen, „es ist alles improvisiert – und ich wollte nicht zu viel riskieren. Wennetwaspassieren würde, könnte ich mir schön ans Hirn greifen.“
Das große Tüfteln
Seine Kollegen von der Abteilung Abfahrt zeigten beileibe nicht alles, MatthiasMayer öffnete seine Hocke weit vor dem Zielsprung und kam 0,75 Sekunden hinterOsborne-Par adis als Vierter ins Ziel, Max Franz (+0,94) wurde Sechster .„ Ich wollte eine B es ichtigungs fahrt machen “, sagte Olympiasieger Mayer, „es würde mir halt taugen, wenn es ein bissl eisiger würde.“Und sein Kärntner Landsmann Franz berichtete von einem Plan, der „schneidig in die Hose gegangen“ist, „beim ersten Sprung bin ich dort gelandet, wo ich gar nicht hinwollte.“
Generell wird wohl der Olympiasieger werden, der am präzisesten fährt: „Es ist ein Spiel mit der Linie“, weiß Franz, „und eine Tüftelei am Material. WennderSchneeso bleibt, sind dünne Kanten besser. Wenn es härter wird, brennt es dir die Kante weg.“
Eine „Materialschlacht“prophezeit Hannes Reichelt, der 37 Jahre alt werden musste, um zum zweiten Mal bei Olympia dabei zu sein. „Mit 2,08 Sekunden Rückstand kann ich nicht zufrieden sein“, sagte der Salzburger, „ich hab’ nie richtig Tempo aufbauenkönnen, daistnoch einiges zutun für meinen Servicemann und mich .“
DassdieOlympia-Abfahrt von 2018 optisch eher einfach ist („Ich langweile mich zu Tode“, maulte der Liechtensteiner Marco Büchel), lädt freilich zum Leichtsinn ein: „Es ist wirklich nicht einfach“, sagt Reichelt, „es gibt viele, die hier schnell sein können. Es gibt keine Passage, wo man mit Mut und Brutalität viel Zeit gutmachen könnte wie etwa an der Steilhang-Ausfahrt in Kitzbühel.“
„Jeder aus den Top 30 kann hier gewinnen“, betont der Schweizer Weltmeister BeatFeuz, deramSonntag31 wird. Eine Goldene als Geschenk? „Warum nicht?“, fragt Feuz. Zumal für Samstag ein wenig Neuschnee, ja sogar ein paar Regentropfen vorhergesagt sind, ehe zum Renntag hin dann wieder der südkoreanische Winter seine Zähne zeigen wird mit rund 16 Grad minus.
Dann werden auch mehr Zuschauer auf der Tribüne sein – für Donnerstag waren ja gar keine Karten zu haben.