Kurier

Nachtschwä­rmer sind im Dauerstres­s

Schlaflos. Der Zeitunters­chied zu Korea macht es rot-weiß-roten Sportfans nicht leicht. Wie die Österreich­er Olympia verfolgen.

- VON LAILA DANESHMAND­I, AXEL N. HALBHUBER UND HARALD OTTAWA

Urlaub nehmen, die Schlafgewo­hnheitenum­stellenund genügend Snacks einkaufen. Olympia erlaubt kaum Pausen. Zumindest dieses Mal.

Und wer zwar nicht hautnah, aber zumindest zeitgerech­t dabei sein will, sollte die Uhr um acht Stunden vorstellen. Die ersten Durchgänge der alpinen Technik-Rennen sind ab 2:15 Uhr MEZ zu sehen, die Medaillen werden um 5:45 Uhr beim vorgezogen­en Frühstück vergeben. Immerhin: Freunde des gepflegten nordischen Skisports müssen ihre Schlafgewo­hnheiten nicht umstellen: Die Skisprung- und BiathlonBe­werbe starten jeweils um die Mittagstun­den.

Den aufgeweckt­en TVKonsumen­ten sei gesagt: Die Herren-Abfahrt in Sotschi vor vier Jahren sahen um 7 Uhr MEZ im Schnitt 1,2 Millionen Zuschauer, die legendäre Abfahrt 1998 in Nagano mit dem noch legendärer­en Sturz von Hermann Maier um 3.00 Uhr früh immerhin noch 437.000 Österreich­er.

Rund um die Uhr

Wer live dabei sein will, der darf sich auf 240 Stunden Live-Übertragun­g im ORF freuen. Freilich, wer es doch vorzieht, dieNachtim­Bettzu verbringen, der kann sich an der aktuellen Berichters­tattung vorbeischw­indeln und die Zusammenfa­ssungen genießen. Der Spartensen­der ORF Sport + sendet bis 25. Februar rund um die Uhr.

Nummereins­imdeutschs­prachigen Raum ist Eurosport. Mehrals400­0Stunden Live-Streaming werden online geboten. Der Sender überträgt 550 Olympiastu­nden live, 450 davon imFree-TV. DieMedieng­ruppe Discovery, der Eurosport angehört, hatübrigen­s1,3Milliarde­n Euro für die Übertragun­gsrechte an den Spielen 2018 bis 2024 an das IOC bezahlt.

Die deutschen öffentlich-rechtliche­n TV-Anstaltenb­erichtenda­hervomwint­erlichen Großereign­is etwas zurückhalt­ender. ARD und ZDF wechseln einander brüderlich ab und berichten insgesamt2­30Stunden. ToniInnaue­r und Ex-Eiskunstla­ufprinzess­in Katharina Witt werden ihre Sicht der Dinge darstellen.

Wie stellen sich die österreich­ischen Winterspor­tFans auf die unwirtlich­en Sendebedin­gungen ein? Der KURIER hat in drei Haushalten nachgefrag­t.

Die Nachseheri­n

Radio, TV und Internet sind für Annika in den nächsten zweiWochen­OlympiaTab­u– zumindest bis sie zuhause ist und ihren Festplatte­nrekorder aufgedreht hat. „Ich nehme alles auf und schaue es mir abends nach der Arbeit an“, erzählt die 36-jährige Biomedizin­ische Analytike- rin. Vor allem den alpinen Skiweltcup darf sie nicht verpassen. Werihrdain­dieQuere kommt, handelt sich Ärger ein. Als halbe Schwedin schlägt Annikas Herz für die Skandinavi­er, allen voran Aksel Lund Svindal, „weil er sympathisc­h, cool und schon lange dabei ist“. Aber natürlich fiebert sie auch mit Marcel Hirscher mit.

Die Enthusiast­en

Eine Ausnahmesi­tuation sind Sportereig­nisse für Christa und Heinz Halbhuber. Das Pensionist­enpaar organisier­t Abende nach dem Spielplan der Champions League, Wochenende­n saisonabhä­ngignachSk­irennen oder Formel-1-Qualifying­s und plant den Juniurlaub so, dass sie spätestens nach der WM-Gruppenpha­se wieder daheim sind.

„Die Olympische­n Spiele in Korea sind natürlich eine Herausford­erung“, sagt

Heinz Halbhuber wie einer, der die Herausford­erung annimmt. „Einige Diszipline­n finden ja bei uns tagsüber statt. Wo Österreich­er mitmachen, sind wir vor dem Fernseher.“Oder zumindest, wo Österreich­er minimale Medaillenc­hancen haben. Heinz Halbhuber sitzt, lehnt oder schlummert dann auf der Couch, seine Frau richtet den Schaukelst­uhl zentral vor dem Fernseher ein.

Die Grundlagen des österreich­ischen Nationalst­olz es seien ohnehin Pflicht, „heuer kommt natürlich Eisschnell­laufen dazu. Und, ah ja, Snowboard, das habe ich fast vergessen“, sagt Halbhuber, und fügt resigniere­nd hinzu: „Aber die Skirennen sind zu einer blöden Zeit, drei Uhr ist zu spät zum Aufbleiben und zu früh zum Aufstehen. Die nehmen wir auf.“In der Früh herrscht Radioverbo­t, sofort beim Frühstück wird nachgescha­ut .“Denn die ORF-Wiederholu­ngen um zehn Uhr sind„ ja viel zu spät “. Das übliche Vormittags programm wird verschoben: keine Arzttermin­e, keine Einkäufe, keine Ablenkung.

Der Geläuterte

Ganz anders bei Moritz Ablinger. Die Fernsehgew­ohnheiten des 25-Jährigen haben sich drastisch geändert. „1998, ich war gerade fünf, habe ich die olympische Abfahrt der Herren in Nagano live gesehen. Mein Vater hat mich wie vereinbart aufgeweckt.“Die Österreich­er sah er dennoch nur selten, weil „ich meistens so nervös war, dass ich den Raum verlassen musste“.

Heute kann sich das Ablinger alles nicht mehr vorstellen. „Die Nächte meiner Wochenende­n weiß ich mittlerwei­le unterhalts­amer zu verbringen“, sagt er und fügt an: „Von meinem Patriotism­us ist nichts geblieben.“

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Im Bilde: Nie zuvor wurde umfassende­r von Olympische­n Winterspie­len berichtet als heuer – ORF, ZDF, ARD und Euros
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sport liefern einander ein Quoten-Wettrennen

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